Seit fast drei Jahren ist Cannabis als Medizin nun legal. Die Barmer nahm das zum Anlass, eine Analyse ihrer bisherigen Erfahrungen vorzunehmen. Die Kasse will dabei offensichtlich mit der Kritik aufräumen, dass Krankenkassen einen zu großen Anteil der Erstattungsanträge abschmettern: Seit März 2017 hat die Barmer ihrer eigenen Analyse zufolge zwei Drittel der Anträge auf Erstattung von medizinischem Cannabis genehmigt. Dabei haben sich demnach aber starke regionale Unterschiede gezeigt – die die Barmer auf die unterschiedliche Erfahrung der Ärzte zurückführt.
Bayern ist dafür berüchtigt, dass Staat und Bevölkerung besonders restriktiv mit Cannabis als Konsumdroge umgehen. Auf die Ärzteschaft scheint das allerdings nicht zuzutreffen. Der Barmer zufolge ist Bayern eine Hochburg für medizinisches Cannabis: 3029 Mal wollten sich Patienten dort Cannabis von der Kasse bezahlen lassen, es folgen Nordrhein-Westfalen mit 2871 und Baden-Württemberg mit 1310 Anträgen. Bayern hat 13 Millionen Einwohner, Nordrhein-Westfalen knapp 18 Millionen und Baden-Württemberg 11 Millionen.
14.986 Anträge auf die Erstattung von medizinischem Cannabis sind seit März 2017 bundesweit bei der Barmer eingegangen, 10.255 hat sie genehmigt und 4731 abgelehnt. Das ist eine Bewilligungsquote von 68,4 Prozent.
Das Wachstum ist bei den Verordnungen demnach weiterhin hoch, schwächt sich aber ab. Während 2017 (ab März) 3090 Anträge gestellt wurden, waren es im darauffolgenden Jahr 5238 und im vergangenen Jahr 6094 Anträge. Nicht so gleichmäßig gestiegen ist hingegen die Bewilligungsquote. Sie hat einen Knick: Hatte sie 2017 bei 65 Prozent gelegen, stieg sie im Jahr 2018 auf 72 Prozent an. Vergangenes Jahr fiel sie dann auf 67 Prozent zurück.
In Bayern werden aber nicht nur im Verhältnis zur Einwohnerzahl besonders viele Cannabis-Anträge gestellt, deren Bewilligungsrate ist auch besonders hoch: Laut Barmer-Analyse wurden 75,1 Prozent genehmigt, drei von vier Anträgen. Nur in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt waren es mit 75,4 Prozent, 77,5 und 77,8 Prozent mehr.
Den Grund für die hohe Anzahl an Anträgen und deren gute Bewilligungsquote sieht die Barmer in der Erfahrung der dortigen Ärzte. „In Bayern gibt es auch deshalb so viele Cannabis-Verordnungen, weil es dort sei Mitte der 90er-Jahre einen Forschungsschwerpunkt an der Universität München gab“, sagt die leitende Medizinerin der Barmer, Dr. Ursula Marschall. „Dementsprechend erfahren sind die Ärzte mit der Formulierung der Anträge.“
Dies sei nicht überall in gleichem Maße der Fall, wodurch es in anderen Gegenden zu niedrigeren Bewilligungsquoten kommen könne. „Wenn in manchen Regionen viel weniger Cannabis-Anträge bewilligt werden können als in anderen, kann dies auch an Informationsdefiziten und fehlerhaften Anträgen liegen. Hier ist zusätzliche Aufklärung erforderlich“, so Marschall. Einer der Hauptgründe für Ablehnungen sei, dass Anträge gestellt wurden, obwohl im jeweiligen Krankheitsbild noch nicht alle anderen Therapiealternativen geprüft wurden. Schlusslicht bei der Genehmigungsquote ist Hessen, wo nur 56,4 Prozent der Anträge positiv beschieden wurden. Bremen ist mit 59,4 Prozent nur knapp darüber. Die drittschlechteste Quote hat Nordrhein-Westfalen mit 60,7 Prozent.
Insgesamt bekamen Barmer-Versicherte der Kasse zufolge seit März 2017 fast 83.000 Einheiten Cannabis-haltiger Präparate verordnet, darunter fast 20.000 Einheiten unverarbeiteter Cannabisblüten. 35,3 Millionen Euro hat das die Barmer nach eigenen Angaben gekostet. „Die Nachfrage nach Cannabisblüten ist so hoch, dass es mitunter zu Lieferengpässen kommen kann“, sagt Marschall.
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