Barmer will keine Altoriginale APOTHEKE ADHOC, 11.06.2013 14:09 Uhr
Die Einsparungen der vergangenen Jahre reichen der Barmer GEK nicht: In ihrem Arzneimittelreport 2013 kritisiert die Kasse zum wiederholten Mal zu hohe Verordnungszahlen. Barmer-Vize Dr. Rolf-Ulrich Schlenker forderte außerdem eine höhere Generikaquote und eine Verlängerung des erhöhten Herstellerrabatts und des Preismoratoriums um fünf Jahre.
Aus Sicht der Kasse werden nach wie vor zu wenig Generika abgegeben: „Wir werden weiter darauf hinwirken, dass die Rabattquote steigt“, sagte Schlenker. 75,2 Prozent aller verordneten Tagestherapiedosen entfallen dem Report zufolge auf Generika. Der Anteil nicht generikafähiger Präparate liegt demnach bei 15,4 Prozent. 9,5 Prozent aller Tagesdosierungen entfallen auf Altoriginale. „Ohne Einschränkungen der Therapiequalität sind hier noch gut 150 Millionen Euro Einsparungen möglich“, so Schlenker.
Schlenker fordert die Bundesregierung auf, die „Kostenbremsen“, die Ende 2013 auslaufen sollen, um fünf Jahre zu verlängern. „Noch müssen wir auf die Einspareffekte durch das AMNOG von rund zwei Milliarden Euro warten. Bis das Gesetz richtig wirkt, brauchen wir flankierende Maßnahmen, nämlich eine Verlängerung des erhöhten Herstellerrabatts und des Preismoratoriums“, sagte der Barmer-Vize.
Mit Blick auf die zunehmende Polypharmazie forderte Schlenker mehr Transparenz und Vernetzung im Gesundheitswesen: „Hätten wir die elektronische Gesundheitskarte, das elektronische Rezept und die elektronische Patientenakte, hätten die behandelnden Ärzte und auch Apotheker einen viel besseren Überblick über die Arzneimitteltherapie.“ Es müsse endlich Schluss sein mit der Blockadehaltung namhafter Ärztefunktionäre gegen eine moderne Telematikinfrastruktur.
Zu viele Psychopillen für Kinder, zu viele Beruhigungsmittel für demente Senioren und viele Wirkstoffe gleichzeitig für ältere Menschen – das ist das Fazit des Arzneimittelreports. Dabei ist die Zahl der insgesamt zulasten der Kasse verordneten Packungen im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent auf 76,7 Millionen zurückgegangen. Die Arzneimittelausgaben der Kasse stiegen hingegen um 0,7 Prozent auf 4 Milliarden Euro.Laut Arzneimittelreport ist mehr als ein Drittel der Versicherten über 65 Jahren von Polypharmazie betroffen, nimmt also täglich mehr als fünf Wirkstoffe ein. Durchschnittlich nehmen Männer über 65 Jahre täglich 7,3 Wirkstoffe ein, bei Frauen sind es 7,2. Der Bremer Versorgungsforscher Professor Dr. Gerd Glaeske, Autor des Reports, kritisiert: „Darunter leidet vor allem auch die Therapietreue.“
Als besorgniserregend stufen die Autoren außerdem die Verordnungszahlen von Antipsychotika für Kinder und Jugendliche ein: Die Verschreibungen sind dem Report zufolge von 2005 bis 2012 um 41 Prozent gestiegen. „Eine medizinische Erklärung dafür lässt sich nicht direkt herleiten“, so Glaeske. Studien zeigten keinen Anstieg psychiatrischer Störungen, und auch die relevanten Therapieempfehlungen hätten sich nicht geändert.Auch den Einsatz von Benzodiazepinen bei Demenzkranken bewerteten die Autoren kritisch. „Das Risiko, Benzodiazepine verordnet zu bekommen, ist bei Menschen mit Demenz um das 1,5-fache erhöht“, sagte Glaeske. Ohne Zweifel seien viele ältere Menschen abhängig von den Präparaten und bekämen die Arzneimittel nur, um Entzugssymptome zu vermeiden. Denkbar sei auch, dass sich nach langen Jahren der Abhängigkeit eher eine Demenz entwickle.