BAK-Präsident: Paracetamol bei Shop-Apotheke Lothar Klein, 29.10.2019 12:01 Uhr
Als Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK) ist Dr. Andreas Kiefer zuständig für Fragen der Aus-, Fort- und Weiterbildung, für das Berufsrecht und für Fragen der Arzneimittelsicherheit und der pharmazeutischen Qualität. Beim Fortbildungskongresses Pharmacon hält er regelmäßig ein Plädoyer für die Apotheke vor Ort. Deshalb wunderte sich jetzt ein Apotheker darüber, dass Produkte von Kiefers Firma Sophien-Arzneimittel zu Billigpreisen bei Versandapotheken angeboten werden. Das sei absolut unvereinbar mit der apothekerlichen Fürsorgepflicht, findet der Apotheker. Kiefer sieht kein Problem: „Ich bin Geschäftsführer eines normalen pharmazeutischen Unternehmens.“
Auf Produkte von Kiefers Firma gestoßen war ein Apotheker bei der Suche nach Paracetamol. Unter der PZN 01679407 findet man etwa bei Medpex, Aponeo, Shop-Apotheke und Apo-Discounter eine 20er-Packung Paracetamol von Sophien-Arzneimittel. Die Preise schwanken zwischen 1,34 Euro und 99 Cent. In seinem Online-Shop bietet Kiefer die Packung für 1,80 Euro an.
Auf das Angebot und die Preisgestaltung habe er keinen Einfluss, sagt Kiefer auf Nachfrage. Wie von anderen Herstellern auch seien seine Produkte in der Lauer-Taxe gelistet und würden über den Großhandel verkauft. „Es handelt sich um ein nicht verschreibungspflichtiges Standardprodukt“, so Kiefer.
Er stelle die Sophien-Arzneimittel für den deutschen Markt her und habe keinen Einfluss auf den Vertrieb, so Kiefer mit Bezug auf das Angebot der niederländischen Shop-Apotheke. Auch bei DocMorris finden sich Produkte aus seinem Haus. Bei OTC-Produkten im Versandhandel sehe er keinen Interessenkonflikt mit dem Amt des BAK-Präsidenten so Kiefer, im Gegenteil: „Es ist gut, wenn Inhaber von Ehrenämtern in der Apotheke stehen und den Markt kennen.“
Sophien-Arzneimittel bietet ein breites Produktangebot: „Die Produktlinien Sophien Basic, Sophien Natur, Entero-Teknosal und Sophien Kosmetik spiegeln unsere besonderen Kompetenzfelder wieder. Bei allen Produkten dürfen Sie beste Qualität der Roh- und Hilfsstoffe, schonend wirksame Rezepturen und sorgfältige Fertigung erwarten!“, heißt es auf der Internetseite.
Es gibt „Sophien Basic – die Serie für die Hausapotheke“. Zu Hause, auf Reisen und bei der Arbeit – diese „bewährten und günstigen Standard-Medikamente“ könne man überall gut gebrauchen und böten „schnelle und einfache Hilfe bei den kleinen und etwas größeren Wehwehchen des Alltags“. Zu Kiefers Angebot gehören hier ASS, Ibuprofen, Paracetamol, Sodormwell, Solaxtabs und Sotriptabs.
Die Serie „Sophien Natur – die sanfte Medizin“ ergänzt laut Darstellung das klassische Apothekensortiment um pflanzliche beziehungsweise homöopathische Medikamente „mit hoher Wirksamkeit“. Mit Entero-Teknosal, der „Spezialität von Sophien-Arzneimittel“, bietet Kiefer zudem ein „ein traditionell angewendetes Arzneimittel für die Human- und Veterinärmedizin“. Auch „Sophien Kosmetik – Pflege für die ganze Familie“ gehört zu Kiefers Angebot: „Ausgewählte Rohstoffe, sorgfältige Herstellung und die wertvolle Erfahrung des Apothekers machen diese Produkte zur Rundum-Sorglos-Pflege für die ganze Familie.“ Die Kosmetikserie reicht vom Aftershave über Feuchtigkeitscreme und Fußpflege bis hin zum Duschgel.
Mit seinen Produkten gelandet ist Kiefer auch schon einmal in der satirischen „Heute Show“ des ZDF. Dort wurde in einem Betrag im Februar 2018 über die Große Koalition eine Arzneimittelpackung im Sophien-Design mit dem Namen „Muttiprofen“ und dem Foto von Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeblendet. „Unser jüngster Erfolg“, heißt es auf Kiefers Internetseite dazu: „Das Team der Heute Show hat sich für unser Packungsdesign entschiede. Das freut uns.“ Helfen sollte „Muttiprofen“ gegen „Koalitionsschmerzen und chronischen Machtverlust“.
Vor dem Versandhandel mit Arzneimittel gewarnt hatte Kiefer etwa bei der Eröffnung des Fortbildungskongresses Pharmacon im Januar 2018. Damals hielt er ein Plädoyer für die Apotheke vor Ort. „Die jetzige Struktur der flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch die wohnortnahen Apotheken trägt zuverlässig. Wer meint, dass der Arzneimittelversandhandel nötig sei, redet einen Notstand aus Eigeninteressen herbei oder plappert nach, was andere ihm eingeflüstert haben“, so Kiefer.
Die wohnortnahen Apotheken versorgten alle Patienten ordnungsgemäß: „Jeder Patient, der dies möchte, kann den persönlichen Kontakt mit einem Apotheker in seiner Nähe aufnehmen. Sollte es in der Zukunft hier und da zu Engpässen kommen, werden die Apothekerkammern regionale Lösungen finden“, so Kiefer.
Die knapp 20.000 Vor-Ort-Apotheken garantierten die bundesweite Arzneimittelversorgung in Deutschland: „Die hochwertige und flächendeckende Arzneimittelversorgung basiert auf der regionalen Verantwortung der Apothekerkammern und der individuellen Verantwortung der Apotheker“. Die Apotheken übernähmen viele Gemeinwohlpflichten zum Wohle aller Bundesbürger. „Zum Beispiel übernehmen sie Botendienste, stellen Rezepturarzneimittel her, müssen jedes ärztliche Rezept beliefern und sind zur ständigen Dienstbereitschaft verpflichtet. Eine gewinnorientierte Rosinenpickerei ist also ausgeschlossen.“
Die vielfältigen Gemeinwohlpflichten zu erfüllen, fuße letztlich auf der inneren Haltung der Berufsträger und bedeute für Apotheker deshalb eine hohe individuelle Verantwortung. Kiefer: „Wer nur nach seinem unmittelbaren privaten oder ökonomischen Vorteil trachtet, wird sich damit schwertun. Anders formuliert: Apotheker können niemals überzeugte Egoisten und Egoisten niemals überzeugende Apotheker sein.“