Transplantationsmedizin

Bahr sucht Wege für Organspende

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Offizielle Stellen der Transplantationsmedizin waren sich weitgehend einig. Problematisch und manipulationsanfällig sei es, wenn immer mehr Spenderorgane wegen hoher Dringlichkeit an Todkranke zugeteilt werden. Das war 2009 – seither gibt es immer mehr Organvergaben nach diesem Prinzip. Warum? Das ist die vorläufig letzte von immer neuen Fragen seit dem Transplantationsskandal von Regensburg und Göttingen. Am Montag will Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bei einem Spitzentreffen Reformschritte beraten. Ziel: Vertrauen in die Organvergabe zurückzugewinnen.

Spenderherzen gingen schon 2007 bei 75 Prozent der Fälle an Patienten mit hoher Dringlichkeit. Hierbei brauchen Kranke von den Ärzten den besonderen Status. Normalerweise gelten die für alle gleichen Kriterien der Warteliste. Aber die Praxis scheint anders auszusehen. Die Bundesärztekammer (BÄK) verweise auf Hinweise auf die Manipulation von Daten bei der Anmeldung von hochdringlichen Transplantationen, hieß es in einem drei Jahre alten Regierungsbericht. Verhallten die Warnungen? Der Anteil dieser Fälle beim Herz stieg laut einem Zeitungsbericht nach offiziellen Zahlen bis 2011 jedenfalls auf 88,5 Prozent.

Unregelmäßigkeiten hat es laut BÄK zwar nun keine mehr gegeben. Doch für die Öffentlichkeit bleibt die komplizierte Vergabepraxis schwer durchschaubar und noch schwerer nachprüfbar. Wer meinte, mit neuen Strukturen würde nun alles besser werden, wurde vor knapp drei Wochen eines Besseren belehrt. Die für die Regeln und ihre Überprüfung maßgeblichen Ärzte, Krankenkassen und Kliniken kündigten nach einem Krisentreffen strengere Richtlinien und Kontrollen an – aber keine grundlegenden Veränderungen.

 

 

Nach den Vorfällen in den Unikliniken in Göttingen und Regensburg zeigten Umfragen eine gesunkene Spendebereitschaft. Patienten sollen dort gegen Geld Spenderorgane bekommen haben. Krankheitsdaten sollen dafür manipuliert worden sein. Neben klaren Manipulationen und den Hochdringlichkeitsfällen sind auch Schnellverfahren bei Organen ins Gerede gekommen, die nur regional verteilt werden.

Aus den Ländern kommen Forderungen nach tiefgreifenden Reformen. So regt die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) mehr staatlichen Einfluss bei der Organvergabe an. „Wir sollten die Zahl der Transplantationszentren verringern“, fordert sie zudem. „Mit der Hälfte kämen wir gut zurecht.“ Eine Straffung der Kommunikation zwischen Ärzten und den für die Organspende und -vergabe zuständigen Stiftungen könnte es so geben, somit wohl auch weniger Fehleranfälligkeit.

Bahr aber pocht vor allem auf Umsetzung des erst novellierten Transplantationsgesetzes – auf bessere Kontrollen und unangemeldete Prüfungen. Mögliche Gesetzeslücken könnten geschlossen werden. Ärzte und Politik sind sich auch einig, dass bei der Organvergabe stets auch Mediziner mitreden sollen, die mit dem jeweiligen Fall nichts zu tun und somit kein Eigeninteresse haben – Stichwort: Mehr-Augen-Prinzip. Ein entsprechende Verabredung ist vom Spitzentreffen in Bahrs Ressort an der Berliner Friedrichstraße zu erwarten.

Die für die Organtransplantation zuständigen Akteure dürften sich laut bisherigen Ankündigungen aber weiter vorwiegend selbst kontrollieren. Öffentlich werden die Prüfergebnisse heute kaum. Die Ärztekammer teilte zwar mit, dass die Prüf- und Überwachungskommissionen unter ihrem Dach in den vergangenen Jahren 20 Fälle mit Verdacht auf Fehlverhalten an die Behörden gemeldet hätten. Dass am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg 2009 ein Leberteil einem eigenen Patienten gegeben wurde, statt es für die Stiftung Eurotransplant freizugeben, wurde aber erst vor wenigen Tagen durch einen Bericht der Tageszeitung bekannt – wegen Missverständnissen am Telefon, wie das UKE nun, nach drei Jahren, beteuert.

 

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