Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel (NEM) mit Vitaminen und Mineralstoffen ist groß, das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geht von einem Umsatzvolumen von rund 1 Milliarde Euro aus. Dabei wird das Hauptgeschäft in Apotheken gemacht. Etwa jeder dritte Erwachsene in Deutschland nutzt ein entsprechendes Präparat regelmäßig, doch die Mittel sind immer wieder ein Diskussionsthema: Auf der einen Seite kritisieren Experten die überflüssige Einnahme von Supplementen, auf der anderen Seite fehlen gesetzliche Höchstmengen. Wie stehen die Arzneimittelhersteller zu diesem Thema?
Derzeit existieren weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene verbindliche Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in NEM, obwohl die EU-Kommission laut Richtlinie seit 2002 dazu verpflichtet ist. Folglich hat jeder Mitgliedstaat unterschiedliche Regelungen. Für Deutschland hat das BfR die Sache in die Hand genommen und kürzlich Höchstmengen ausgesprochen. Dabei gab es überraschende Änderungen und Kritik, denn es gab Abweichungen zu früheren Bewertungen. Sind die Empfehlungen sachgerecht und angemessen? Oder sind sie vielleicht zu niedrig? Das sind einer der Fragen, die sich der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) gestellt hat.
NEM sollen eine gesunde und ausgewogene Ernährung ergänzen. Laut Experten werden jedoch entsprechende Produkte meist von Personen mit einem ohnehin gesunden Lebensstil genommen. Für diese Verwender werden die Supplemente jedoch als überflüssig angesehen. So sieht es auch das BfR: „Im Allgemeinen versorgt eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung den gesunden Körper mit allen lebensnotwendigen Nährstoffen.“ Hochdosierte Präparate steigerten gar das Risiko „unerwünschter gesundheitlicher Effekte“.
„Die Aussage, NEM seien überflüssig, ist pauschal nicht richtig“, moniert Dr. Rose Schraitle, Leiterin der Abteilung Arzneimittelzulassung und Arzneimittelsicherheit beim BAH. Denn für einzelne Verbrauchergruppen könne eine Supplementation durchaus sinnvoll sein, beispielsweise Folsäure bei Schwangeren oder Frauen mit Kinderwunsch. In dieser Lebensphase seien die NEM sogar notwendig. „Ob ein NEM mit Vitaminen und Mineralstoffen überflüssig oder sinnvoll ist, hängt also nicht vom Produkt ab, sondern von der Versorgungslage des einzelnen Verbrauchers.“ Die Vorgaben der EU-Richtlinie seien auch nicht im Sinne der Konsumenten: „Es fehlt der Nutzen-Aspekt. Es geht ausschließlich um die Sicherheit der NEM“, ergänzt sie.
Der BAH fordert eine „Rückbesinnung“ auf den eigentlichen Zweck der NEM, nämlich die Ergänzung der normalen Nahrung eines gesunden Menschen, um die „bestmögliche“ Nährstoffversorgung zu erreichen. Dafür seien die vom BfR vorgeschlagenen moderaten Vitamin- und Mineralstoffmengen angemessen. Wenn bestimmte Erkrankungen und physiologische Störungen im Vordergrund stehen, stünden „Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke“ und bei Mangelerscheinungen auch Arzneimittel zur Verfügung.
Viele Hersteller würden seit vielen Jahren für möglichst hohe Dosierungen kämpfen und das Produktmerkmal „hochdosiert“ als Qualitätskriterium vermarkten. Auf Verbraucher wirke das attraktiv und vermittle einen „besonderen Nutzen“. „Viel hilft nicht viel“, sagt Schraitle. Von hohen Dosen habe man sich jahrelang einen positiven Einfluss versprochen, dies wurde jedoch nie mit „harten Fakten untermauert“. Studien belegten sogar das Gegenteil. Zudem seien nach der EU-Verordnung nur bestimmte Health Claims für Vitamine und Mineralstoffe zugelassen, unabhängig von der enthaltenen Menge der enthaltenen Stoffe. „Die Aussagen differenzieren nicht“, so die Abteilungsleiterin. Beispielsweise könne ein NEM mit 12 mg Vitamin C pro Tag als genauso gesundheitsfördernd vermarktet werden wie ein anderes mit 250 mg oder 500 mg Vitamin C.
Dem BAH zufolge sind hier die Apotheker gefragt, in dem sie die Konsumenten „adäquat beraten“. Denn solange keine europaweit einheitlichen Grenzwerte gelten, werde es immer Produkte mit Höchstdosierungen auf dem Markt geben. „Sie sollten mir ihrer heilberuflichen Expertise den Verbraucher über den Wert und die Vorteile moderat dosierter Nahrungsergänzungsmittel aufklären.“
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