Schröder: Rauer Wind in der Apotheke der Welt APOTHEKE ADHOC, 10.11.2015 17:50 Uhr
„Die Pharmabranche ist eine Leitbranche“, so Dr. Kristina Schröder (CDU), und „allzu viele haben wir davon in Deutschland nicht mehr“. Die ehemalige Ministerin wünsche sich seitens Wirtschaftsministerium „mehr Inbrunst“ für die Interessen der Pharmaindustrie. Es sei ein richtiges Signal, dass auf der Podiumsdiskussion des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) ein wirtschaftliches und kein vorrangig gesundheitspolitisches Thema auf der Agenda stehe.
Im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion standen die Auswirkungen des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG), das 2011 in Kraft getreten ist. Nicht alle Resultate seien politisch erwünscht, so Schröder. Denn dass Generika als Vergleich für die Wirksamkeit herangezogen würde, sei ja in Ordnung. Doch es sei nicht vorgesehen, auch einen generischen Preisanker zu setzen.
Inzwischen ist laut Schröder das Preisniveau für Arzneimittel so niedrig, dass diese von anderen Ländern importiert würden. Durch den vermehrten Export könne es leicht zu Versorgungsengpässen führen hierzulande kommen, die die Arzneimittelsicherheit gefährdeten.
Der Preisanker macht der Industrie zu schaffen. Bei der Erforschung neuer Wirkstoffe gehe es mittlerweile zu „wie beim Pferdewetten“, so Marco Annas, Politikchef von Bayer. Es könne nicht mehr jede gefundene Substanz komplett erforscht werden. Dies sei schlichtweg zu teuer. Man greife nur noch einen aussichtsreichen Kandidaten heraus und investiere keine Arbeit in die anderen Stoffe. „Geld macht gute Forschung“, so Annas. Besonders Start-Ups hätten es schwer, kleine Firmen benötigten zum Überleben häufig einen Partner. „Viele schaffen das nicht.“ Bereits jetzt sei daher eine Oligopolbildung erkennbar.
Schuld daran, dass es keine steuerliche Forschungsförderung gebe, ist laut Schröder das Finanzministerium. Doch das Geld dazu sei schlicht nicht vorhanden. Die Förderung könne den Herstellern allgemein einen Vorteil verschaffen. Schröder zufolge spielt die Bundesrepublik als ehemalige „Apotheke der Welt“ immer noch vorn mit, doch die Rahmenbedingungen würden zunehmend härter.
Schrittinnovationen würden im AMNOG-Prozess nicht entsprechend gewürdigt, so die Politikerin weiter. Dabei seien auch diese für den Endverbraucher wichtig. So sei zum Beispiel die Darreichungsform relevant: Ein Spray würde allgemein besser akzeptiert als eine Injektion. Schließlich erhöhe sich die Compliance durch diese Art der Forschung beträchtlich. „Das sind klassische Innovationen des Mittelstands“, so Schröder. Sie plädiert dafür, die Branche auch volkswirtschaftlich zu betrachten.
Die Wirtschaftspolitikerin Gabriele Katzmarek (SPD) betonte ebenfalls die Wichtigkeit der Pharmaindustrie. Sie biete vielen Menschen gute und sichere Arbeitsplätze. Als Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in der Pharmaindustrie sieht Katzmarek den Ausbau der Kinderbetreuung. In den ländlichen Regionen sei diese immer noch nicht vollständig etabliert.
Durch den Kita-Ausbau könnten vor allem Frauen profitieren, die neben dem Beruf noch eine Familie gründen wollten, so die SPD-Politikerin. Außerdem begrüßte sie die Werbung in den Schulen für MINT-Fächer, die viele Industrieverbände betrieben. „Wir brauchen nicht nur Akademiker“, erklärte die Politikerin. Daher müsse die duale Ausbildung dringend aufgewertet werden. Entscheidend seien dazu durchlässige Strukturen innerhalb der Unternehmen.
Ob das AMNOG nur ausgebessert oder ob es einen großer Wurf geben müsse, sind sich die Politikerinnen nicht einig: Schröder stellt heraus, das Gesetz habe viel Positives bewirkt und werde von industrieller Seite akzeptiert. Katzmarek hingegen sieht an mehreren Stellen Nachholbedarf. Besonders Ärzte, aber auch Apotheker wüssten wegen der zahlreichen neuen Bedingungen gar nicht mehr, was sie verschreiben oder abgeben dürften.