Ausführlich Zeit nahm sich Annette Widmann-Mauz (CDU), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Direktkandidatin der CDU für den Wahlkreis Tübingen-Hechingen, für einen Besuch der Bisinger Hohenzollern-Apotheke im Gesundheitszentrum Hohenzollern. Sie folgte damit einer Einladung von Apotheker Johannes Ertelt. „Wir Apothekerinnen und Apotheker sind eine der tragenden Säulen in unserem Gesundheitssystem und aus diesem gar nicht wegzudenken“, so Ertelt. Statt der vereinbarten 60 Minuten diskutierte Widmann-Mauz mehr als zwei Stunden mit acht Apothekern.
„Zum Wohle und zum Schutz der Patienten gilt es, unser gutes und bewährtes System zu erhalten und weiter auszubauen und dieses nicht durch Kapitalgesellschaften zu ruinieren, deren Streben reine Gewinnmaximierung ist“, so Ertelt. Nach einem Rundgang durch das Gesundheitszentrum und die Apotheke gab es mit der Staatssekretärin einen ausführlichen Meinungsaustausch über die Gefährdung der Arzneimittelversorgung auf dem Land mit Apothekern aus Balingen, Bisingen, Bodelshausen, Nusplingen, Tailfingen und Tübingen.
„Die persönliche und flächendeckende Versorgung der Patienten durch die vorhandenen, wohnortnahen Apotheken ist ein Grundprinzip der Solidargemeinschaft unseres Gesundheitssystems“, betonte Widmann-Mauz. „Schließlich sind Arzneimittel keine Konsumgüter, sondern Waren besonderer Art, die einer Beratung bedürfen und die für alle Patienten gleichermaßen zugänglich sein müssen. Der einheitliche Abgabepreis von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist ein Muss, damit die Versorgung von kranken Menschen nicht von deren Geldbeutel abhängt“, so die Parlamentarische Staatssekretärin.
Gegenstand der Diskussion waren selbstverständlich auch die Folgen und Konsequenzen aus dem EuGH–Rx-Boni-Urteil: „Wir Apotheken haben kein Problem mit Wettbewerb oder Versandhandel, sofern es keine Ungleichbehandlung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gibt“, führte Apotheker Johannes Ertelt aus und betonte, dass „das Patientenwohl stets im Vordergrund stehen müsse“. Widmann-Mauz bestätigte in diesem Zusammenhang, dass „die Apotheken schon immer die digitale Entwicklung konstruktiv angenommen und weiter entwickelt haben“ und daher auch „ein sehr wichtiger Partner im Gesundheitssektor“ seien. „Aber Rabattschlachten in der Beziehung Apotheken zu Patient bei gleichzeitiger Rosinen-Pickerei durch ausländische Versandapotheken gefährden unweigerlich die Existenz der wohnortnahen Apotheken und damit der flächendeckenden Gesundheitsversorgung“, so die CDU-Gesundheitspolitikerin. „Das wollen wir nicht!“
So berichtete Apothekerin Dr. Olga Scherer von der Bära-Apotheke in Nusplingen, dass gerade auf dem Lande der enge Kontakt zu Patienten und Ärzten, die Schnelligkeit der Arzneimittelbelieferung und die persönliche Zuwendung von den Menschen sehr geschätzt werde und hob hervor, dass der Notdienst oder die Rezepturherstellung bei akuten Fällen nur durch Apotheken vor Ort möglich sei.
Mögliche Folgen für – vorwiegend weibliche und familienfreundliche – 160.000 Arbeitsplätze in deutschen Apotheken skizzierten die Balinger Apotheken um Michael Wiench (Stadt-Apotheke) und Friederike Brodbeck sowie Andreas Schenkel (Friedrich-Apotheke). Auch Apotheker Martin Schnabel aus Bodelshausen (Rammert-Apotheke) verwies auf die Bedeutung der Apotheke vor Ort als Voll-Versorger. Die Apotheke sei die Stelle, wo Patienten persönlich, fachlich und vor allem vor Ort Hilfe und Unterstützung erfahren. „Die Schere der Mischkalkulation geht aber zunehmend auseinander“, so Schnabel. Viele Bereiche seien nicht mehr kostendeckend, da sie einen hohen Beratungsaufwand beinhalten.
Apotheker Dr. Sebastian Schmidt (pharmaphant Apotheken in Tübingen) sowie Dr. Hans-Joachim Hoffmann von der Langenwand-Apotheke aus Tailfingen skizzierten auch die möglichen Folgen für Gemeinden und Städte durch große Online-Plattformen und Versandhandel allgemein. „Die lokalen Händler und Geschäfte werden durch einen nicht zu stemmenden Preis-Wettbewerb verdrängt. Flexible und wohnortnahe Arbeitsplätze gehen verloren. Die Infrastruktur wird ausgedünnt. Dass weniger Apotheken für die Patientinnen und Patienten auch weitere Wege zur nächsten notdiensthabende Apotheke bedeutet, ist vielen nicht bewusst.“
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