Baden-Württemberg

Apotheker: Ärzte fordern zum Rechtsbruch auf Julia Pradel, 09.03.2013 08:36 Uhr

Berlin - 

Der Streit um die Impfstoffversorgung in Baden-Württemberg spitzt sich zu: Zuletzt hatte der Apothekerverband (LAV) seinen Mitgliedern empfohlen, generische Rezepte in die Arztpraxen zurückzugeben. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat die Apotheker nun aufgefordert, sich zu positionieren: Am Montag soll eine Liste mit den Apotheken veröffentlicht werden, die produktneutrale Verordnungen akzeptieren.

Im September hatten Ärzte und Krankenkasse eine Schutzimpfungsvereinbarung abgeschlossen. Ärzte sollten künftig lediglich „Impfstoff gegen ...“ oder den rabattierten Impfstoff verordnen. In der Apotheke sollte das passende Rabattpräparat abgegeben werden. Im Januar sind die Verträge für die ersten sechs Impfstoffe gestartet, vier weitere folgen im Sommer.

In den Apotheken hat die Vereinbarung zwischen Ärzten und Kassen zu einer hohen Verunsicherung geführt: Nach Ansicht des LAV verstößt die Vereinbarung gegen höherrangiges Recht – die Arzneimittelverschreibungs-Verordnung (AMVV). Dort sei geregelt, dass eine ärztliche Verordnung die Bezeichnung des Fertigarzneimittels oder des Wirkstoffs und der Stärke enthalten müsse. Eine generische Betrachtung von Impfstoffen entspreche zudem nach Ansicht des Paul-Ehrlich-Instituts nicht den geltenden wissenschaftlichen Vorgaben. Ob der Austausch von Impfstoffen überhaupt erlaubt ist, lässt der LAV derzeit juristisch prüfen.

Der LAV hatte sich im Februar mit einem Schreiben an den KV-Vorsitzenden Dr. Norbert Metke gewandt: Darin bekräftigen die Apotheker ihre Empfehlung, generische Verordnungen an den Arzt zurückzugeben. Die Versorgung könne unkompliziert sichergestellt werden, indem die „Ärzteschaft den rabattierten Impfstoff auswählt und namentlich verordnet“, heißt es in dem Schreiben des LAV.

Das sehen die Ärzte offenbar anders: In dem Fax an die Apotheker schreibt Metke, ohne die Möglichkeit des produktneutralen Verschreibens „wäre die Verordnung für die Ärzte im Praxisalltag nicht zu handhaben“. Die Vereinbarung sei daher eine „pragmatische und im generischen Bereich bekannte Lösung“, die „auch bislang zwischen der Ärzte- und der Apothekerschaft wunderbar funktionierte“.

Die Ärzte seien darauf angewiesen, dass die Apotheken den Impfstoff liefern, so ein KV-Sprecher. Einige Ärzte würden der KV inzwischen mitteilen, dass sie gar keinen Impfstoff bekämen, weil die Apotheke die Rezepte zurückgebe. Dass der Arzt den rabattierten Impfstoff aufschreibe, sieht man bei der KV nicht als Lösung: Das sei im Praxisalltag nicht handhabbar, sagte der Sprecher. Zudem bekomme der Arzt Probleme, wenn er einen Impfstoff aufschreibe, der nicht rabattiert sei.

Es sei also „unverständlich und sehr zu bedauern“, dass der LAV „ohne auch nur einmal mit uns das Gespräch zu suchen“ rechtlich gegen die Schutzimpfungsvereinbarung vorgehe, heißt es in dem Fax. Von dem Schreiben des LAV weiß man bei der KV anscheinend nichts: „Soweit es uns bekannt ist, haben die Apotheker bisher nichts verlauten lassen“, so der Sprecher.

Die KV hat sich daher dafür entschieden, die Apotheker vor die Wahl zu stellen: In dem Fax sollen die Apotheker angeben, ob sie produktneutrale Verordnungen für Impfstoffe entgegen nehmen oder nicht. Ab Montag soll auf der Internetseite der KV eine Liste mit allen Apotheken und ihrer Entscheidung – ja, nein, noch nicht geantwortet – veröffentlicht werden. „Wir erhoffen uns davon, dass wir die Möglichkeit haben, impfen zu können“, sagte der KV-Sprecher. Das Gespräch mit den Apothekervertretern hat man zuvor nicht gesucht: „Es ist nicht unsere Aufgabe, Kontakt mit dem LAV herzustellen.“

Dort distanziert man sich von dem Fax der KV: Seine Mitglieder hat der Verband darauf hingewiesen, „dass keine Veranlassung besteht, der KV entsprechend zu antworten“. Die angekündigte Beeinflussung der Ärzteschaft hin zu bestimmten Apotheken lässt der LAV derzeit juristisch prüfen – gegebenenfalls sollen rechtliche Schritte eingeleitet werden.

An der Empfehlung, generische Rezepte nicht zu beliefern, hält der Verband fest: Es gebe keine Rechtspflicht, die Rabattverträge umzusetzen. Im Gegenteil: Apotheken, die solche Verordnungen beliefern, verstießen gegen die AMVV. Die Verordnungsverantwortung trage allein der Arzt, der den Impfstoff ohne wirtschaftlichen Nachteil namentlich verordnen könne und dürfe.

Besonders kritisiert LAV-Geschäftsführerin Ina Hofferberth die Aussage, der Verband habe das Gespräch nicht gesucht, und verweist auf das Schreiben vom Februar. Auch die Argumentation der Ärzteschaft zum Aufwand trifft beim LAV auf Unverständnis: Demnach habe die KV den „angeblichen Verordnungsbürokratismus“ als Grundlage genommen, das Honorar aufzubessern – wälze die Umsetzung und das finanzielle Risiko aber kostenlos auf die Apotheken ab.

Die Ärzte erhalten demnach für einige Leistungen eine 6 Prozent höhere Vergütung für die Mehrarbeit im Zusammenhang mit der Schutzimpfungsvereinbarung. Ein Vertrag zwischen den Kassen und den Apothekern, der womöglich Rechtssicherheit gebracht hätte, war einem LAV-Sprecher zufolge jedoch an der Diskussion über die Gratifizierung gescheitert.