Die Apotheker haben sich im Impfstoff-Streit gegen die AOK Baden-Württemberg durchgesetzt. Das Sozialgericht Stuttgart (SG) machte heute im wahrsten Sinne kurzen Prozess und entschied am ersten Verhandlungstag im Hauptsacheverfahren zugunsten einer klagenden Apothekerin. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, Urteilsgründe liegen noch nicht vor.
Drei Jahre ist es her, dass die AOK Rabattverträge über ein halbes Dutzend Standardimpfungen abgeschlossen hat. Das führte zum Streit mit der Apothekerschaft. Heute traf man sich erneut vor dem SG. Es ging um die – für Ausschreibungen nötige – produktneutrale Verordnung von Impfstoffen.
Da die Verträge bereits Ende 2014 ausgelaufen sind, ist es ein Streit um des Kaisers Bart. Dennoch wird die Auseinandersetzung aus grundsätzlichen Erwägungen weiter geführt. Sollte die AOK in Berufung gehen, stehen die Chancen der Kasse vermutlich nicht schlecht. Im Eilverfahren hatte das Landessozialgericht bereits zugunsten der AOK entschieden und den Beschluss der Vorinstanz aufgehoben.
Die AOK hatte 2012 Verträge über sieben Impfungen abgeschlossen, darunter über Vakzine gegen Grippe, Windpocken, FSME und Meningokokken C. Die Ärzte wurden aufgefordert, entweder den jeweiligen Rabattimpfstoff oder produktneutral „Impfstoff gegen...“ zu verordnen. In diesem Fall mussten die Apotheker anhand eines Plakats herausfinden, welcher Impfstoff für den Arzt der jeweiligen Region abgegeben werden durfte.
Die Apotheker wehrten sich gegen die neue Vorgabe. Eine Apothekerin beantragte beim SG einstweiligen Rechtsschutz und bekam im Eilverfahren zunächst recht. Aus ihrer Sicht ergibt sich für den Apotheker keine Pflicht, bei einer Verschreibung von nicht näher bezeichneten Impfstoffen das rabattierte Präparat auszuwählen und abzugeben.
Das SG war im Juli 2013 zu der Einschätzung gekommen, dass durch die produkt- und wirkstoffneutrale Verordnung die Verantwortung über die Auswahl des Arzneimittels auf die Apotheker verlagert wird. Dies widerspreche aber den gesetzlichen Vorgaben nach AMG und Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV). Demnach muss eine Verordnung die Bezeichnung des Fertigarzneimittels oder des Wirkstoffs und der Wirkstärke enthalten.
Die AOK hatte gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Zwischenzeitlich hatte sie den Ärzten aber auch empfohlen, auf die umstrittene Verordnungsweise zu verzichten und die Rabattimpfstoffe namentlich zu verschreiben. Inzwischen ist die anstehende Entscheidung vor allem von theoretischer Bedeutung, denn die kritisierten Rabattverträge sind bereits ausgelaufen. Mit ihrem Versuch, die Impfstoffe erneut auszuschreiben, war die AOK im Juli 2014 gescheitert – die Hersteller gaben kein Gebot ab.
Dass die Kasse sich an einer zweiten Ausschreibung versuchte, liegt vermutlich auch an der für sie positiven Entscheidung in der zweiten Instanz: Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hatte im April 2014 den einstweiligen Rechtsschutz für die klagende Apothekerin aufgehoben.
Dem Gericht zufolge gab es ein überwiegendes Interesse an einer Stärkung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Der Umsatz der Apothekerin mit den betroffenen Impfstoffen falle im Verhältnis zu ihrem Gesamtumsatz nicht derart ins Gewicht, dass eine Existenzgefährdung drohe, hieß es.
Der Ausgang des Verfahrens in Stuttgart könnte auch Folgen für Verträge in Berlin, Brandenburg, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern haben. Dort haben die Apothekerverbände mit den Kassen Vereinbarungen über die Impfstoffbelieferung getroffen.
In Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern erhalten die Apotheker pro Impfdosis 7,20 Euro – 55 Cent weniger als in der vergangenen Saison. In Hessen konnte der Vertrag ebenfalls nur zu leicht schlechteren Konditionen erneuert werden. In der vergangenen Saison gab es noch 7,95 Euro für nicht adjuvantierte und 8,95 Euro für adjuvantierte Impfstoffe.
Auch in Rheinland-Pfalz und dem Saarland hatte es im vergangenen Jahr noch eine Vereinbarung zwischen Apothekern und Kassen gegeben. 8,30 Euro erhielten die Apotheker für nicht adjuvantierte und 9,30 Euro für adjuvantierte Vakzine. Der hohe Preis erklärte sich damit, dass die Ärzte – anders als in Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Hessen – nicht angehalten waren, generisch zu verordnen.
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