Der Streit um die Impfstoffversorgung in Baden-Württemberg geht in die nächste Runde: Am Wochenende ist die Friedenspflicht zwischen Apothekern, Ärzten und Kassen abgelaufen – einen Kompromiss gibt es aber noch nicht. Nun soll das Sozialgericht Stuttgart entscheiden.
Im vergangenen Jahr hatten die Kassen in Baden-Württemberg Rabattverträge über insgesamt zehn Impfstoffe abgeschlossen. Zur Umsetzung wurde eine Impfstoffvereinbarung mit den Ärzten abgeschlossen, die seit Januar gilt. Demnach sollen Ärzte entweder den jeweiligen Rabattimpfstoff namentlich oder produktneutral „Impfstoff gegen ...“ verordnen.
Gegen diese Praxis wehrte sich der Landesapothekerverband (LAV): Da sich die Rabattverträge derzeit nicht in der Software abbilden lassen, müssen die Apotheker anhand eines Plakates den jeweiligen Rabattimpfstoff heraussuchen. Die Suche nach dem richtigen Präparat sei mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden, moniert der LAV.
Der Apotheker trage zudem die Verantwortung für die Auswahl der Impfstoffe. Außerdem widerspreche die produktneutrale Verordnung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV). Der LAV hat seinen Mitgliedern deshalb empfohlen, generische Verordnungen nicht zu beliefern, und ist juristisch gegen die Impfstoffvereinbarung vorgegangen.
Daraufhin hatten die Ärzte die Apotheker in einem Fax aufgefordert, sich zu positionieren. Online sollte eine Liste mit den Apothekern veröffentlicht werden, die produktneutrale Verordnungen beliefern. Diese Liste ließ der LAV verbieten.
Bei einem Schlichtungstermin vor Gericht hatten sich die Parteien auf die Friedenspflicht bis Ende Juni geeinigt: In dieser Zeit sollten die Apotheker bei produktneutralen Verordnungen Rücksprache mit dem Arzt halten und das konkrete Präparat auf dem Rezept vermerken. Wenn ein Arzt einen anderen als den Rabattimpfstoff verordnete, sollte der Apotheker ebenfalls nachfragen.Diese Regelung war aus Sicht des LAV ein „Vertrauensvorschuss auf eine ausgewogene vertragliche Vereinbarung“. In den Verhandlungen wollte der LAV erreichen, dass die Impfstoff-Verträge in der Software angezeigt werden. Andernfalls sollte der Mehraufwand vergütet werden. Die Parteien konnten sich bislang jedoch nicht einigen. AOK und Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KV) seien nicht bereit gewesen, „von ihren Extrempositionen abzuweichen“, kritisiert der LAV. AOK und KV wollten sich bislang nicht zu den Verhandlungen äußern.
Der LAV empfiehlt seinen Mitglieder nun erneut, produktneutrale Impfstoffverordnungen nicht zu beliefern. „Geben Sie solche Rezepte zur korrekten namentlichen Verordnung an die jeweiligen Ärzte zurück“, rät der Verband. Enthalte die Verordnung weder die Bezeichnung des Fertigarzneimittels noch des Wirkstoffs nebst Wirkstärke, entspreche sie nicht dem geltenden Recht.
Ein Apotheker, der solch ein Rezept beliefere, könne sich strafbar machen, warnt der Verband. Die Apotheker müssen die Rezept auch nicht länger prüfen: „Der Arzt trägt die alleinige Verantwortung für den von ihm verordneten Impfstoff“, betont der LAV. Die Apotheke treffe keine Rechtspflicht.
Jetzt soll das Gericht entscheiden: Die Richter sollen prüfen, ob die produktneutrale Verordnung von Impfstoffen zulässig ist und ob Apotheken anhand von Angaben auf einem Poster Impfstoffrabattverträge umsetzen müssen. Eine Entscheidung erwartet der LAV Anfang August.
APOTHEKE ADHOC Debatte