Während um dem DocMorris Arzneimittelabgabeterminal in der kleinen baden-württembergischen Gemeinde Hüffenhardt ein Rechtsstreit seinen Lauf nimmt, plant auch der Landesapothekerverband (LAV) die digitale Zukunft auf dem Land. Digitale Rezeptsammelstellen sollen demnächst die alten Briefkästen ablösen. Das spart Zeit und Mühe und könnte den ansonsten aus Apothekersicht eher lästigen Rezeptsammelstellen eine Renaissance bescheren. Im „Ländle“ gibt es mehr als 100 Rezept-Briefkästen.
„Wir sind doch nicht die ewig Gestrigen“, hatte LAV-Chef Fritz Becker beim DAV-Wirtschaftsforum auf die anstehende Innovation hingewiesen. Noch steckt das Projekt des LAV allerdings in den Kinderschuhen, wie LAV-Sprecher Frank Eickmann bestätigt. Wenn alles glatt läuft, könnten die ersten digitalen Rezeptsammelstellen noch in diesem Jahr installiert werden. Mit DocMorris in Hüffenhardt gebe es aber keine Gemeinsamkeiten, wehrt Eickmann alle Vergleiche ab.
Der digitale Rezeptbriefkasten soll nur als Einbahnstraße funktionieren: Vor den normalen Briefkastenschlitz soll ein Rezeptscanner vorgeschaltet werden. Dieser scannt das Rezept, bevor es in den Briefkasten fällt. Das Image wird dann digital an die Apotheke übermittelt, die die Rezeptsammelstelle betreibt. Der Apotheker kann so die Bestellung vorbereiten. Die Auslieferung erfolge wie bisher über pharmazeutisches Personal, so Eickmann.
Dazu müssen die Rezeptbriefkästen an das Stromnetz angeschlossen und mit einer Internetverbindung versehenen werden. Welche Kosten dafür entstehen, ist nicht bekannt. Auch nicht wie die so aufgerüsteten Briefkästen gegen Vandalismus gesichert werden können und wer notwendige Wartungs- und Reparaturkosten übernimmt.
Der Vorteil für die betreibenden Apotheker liegt aber auf der Hand. Ein Fahrweg wird eingespart. Bislang mussten die Rezept zuerst eingesammelt werden. Jetzt wird die digitale Rezeptsammelstelle einfach vor der Auslieferung an die Patienten geleert. Damit liegt das Originalrezept vor der Abgabe des Arzneimittels vor. Der Apotheker spart auf diese Weise die Hälfte der Fahrtkosten.
Ob damit Rezeptsammelstellen rentabel werden und noch intensiver als bisher zur Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln in dünn besiedelten Gebieten eingesetzt werden können, steht auf einem anderen Blatt: Der Präsident der Apothekerkammer Baden-Württemberg, Dr. Günther Hanke, hatte kürzlich von der Politik Antworten auf das Apothekensterben gefordert. „Das Sozialministerium müsste eine Bedarfsanalyse aufstellen“, so Hanke. Eine Apotheke brauche im Schnitt 4000 Einwohner, um zu überleben. Eine Gemeinde könnte beispielsweise Räume zu günstigen Konditionen anbieten.
„Wir sehen die Entwicklung der Apotheken in Baden-Württemberg mit Sorge und befürchten, dass sich die Lage rapide an manchen Stellen verschlechtert. Vor allem dort, wo vorher schon eine Versorgung auf Kante genäht war“, so Hanke. Zuletzt gab es in Baden-Württemberg 2547 Apotheken – 250 weniger als noch vor zehn Jahren. Die Situation sei vergleichbar mit dem Mangel an Landärzten. „Stirbt die Praxis, stirbt die Apotheke“, so Hanke. Denn die Apotheken lebten heute zu 80 Prozent über den Verordnungsmarkt. Die Apotheker selbst bemühten sich bereits, die flächendeckende Versorgung aufrecht zu erhalten.
„Wir haben Möglichkeiten in der Fläche zum Beispiel Rezeptsammelstellen einzurichten“, erklärte Hanke. „Außerdem gibt es Botendienste – im Gegensatz zum Versandhandel ist das aber nur im Einzelfall erlaubt und muss mit pharmazeutischem Personal abgedeckt werden“, so Hanke. Mehr als 100 solcher Rezeptsammelstellen gibt es laut Hanke bereits in Baden-Württemberg – auch wenn dies für die Apotheker in der Regel ein Verlustgeschäft sei. Auch in der kleinen Gemeinde Hüffenhardt bei Heilbronn, wo die Versandapotheke DocMorris mit ihrem Abgabeterminal für Aufregung sorgt, gibt es eine Rezeptsammelstelle, die von zwei Apotheken aus den Nachbarorten betrieben wird.
Rezeptsammelstellen dürfen nur in „abgelegenen Orten“ eingerichtet werden. Laut den Richtlinien der Kammer Baden-Württembergs gilt ein Ort oder Ortsteil als abgelegen, „wenn die Straßenentfernung vom Ortsmittelpunkt zur nächstgelegenen Apotheke mindestens 6 km beträgt“. Das ist in Hüffenhardt zwar knapp nicht der Fall. Ob auch ein Ort als abgelegen gilt, der weniger als sechs Kilometer von der nächsten Apotheke entfernt ist, richtet sich jedoch auch nach den jeweiligen örtlichen Verhältnissen.
Dabei kommt es im Wesentlichen darauf an, welche Verkehrsverbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestehen. Ein Ort gilt nach den LAK-Richtlinien „als abgelegen, wenn nicht täglich mindestens je einmal vormittags und nachmittags die Möglichkeit besteht, den Weg zur nächstgelegenen Apotheke oder nächst erreichbaren Apotheke und zurück während der Öffnungszeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb von circa einer Stunde zurückzulegen“.
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