Der veröffentlichte Referentenentwurf zum Gesetz gegen die Lieferengpässe wird von vielen Seiten stark kritisiert, „die geplanten Regelungen werden die Situation allerdings kaum verbessern, sondern eher verschlimmern“, so auch Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL).
Die Apotheken seien in der aktuellen Situation auf die gelockerten Abgaberegeln angewiesen: „Ohne diese Sonderregeln hätten wir die Krise in diesem Winter überhaupt nicht stemmen können“, so Rochell. Die Lockerungen gelten nur noch bis April, laut Referentenentwurf sollen sie zukünftig nur noch für Arzneimittel gelten, für die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Engpass festgestellt hat. „Dort finden sich allerdings nur verschreibungspflichtige Arzneimittel, also keine Husten- und Fiebersäfte für Kinder. Zudem spiegelt diese Liste bei Weitem nicht die Wirklichkeit in den Apotheken wider“, so Rochell. „Statt die Regeln wieder zu verschärfen, brauchen wir in den Apotheken vor Ort noch viel mehr Flexibilität als bisher, um solch dramatische Engpässe wie in diesem Winter bewältigen zu können.“
„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Apotheken vor Ort haben in den vergangenen Wochen und Monaten von morgens bis abends Kopfstände vollführt, um kranke Kinder, aber auch erwachsene Patienten irgendwie mit Antibiotika, Husten- und Schmerzmitteln oder Insulin versorgen zu können“, so Rochell weiter. Laut einer Blitzumfrage des AVNR ist derzeit jedes zweite Rezept von einem Lieferengpass betroffen, die Bearbeitung kostet die Apotheken viel Zeit.
„Dass ein Minister aus der Partei, die den Mindestlohn durchgesetzt hat, diesen Mehraufwand nun mit gerade einmal 50 Cent vergüten will, ist ein weiteres Zeichen der Missachtung der Apotheken-Leistungen – und ein Skandal.“ Die einstellige Millionensumme, die den Krankenkassen daraus voraussichtlich entstehe, stehe den Einsparungen der Krankenkassen durch die Rabattverträge mit den Herstellern gegenüber – 2021 sparten die Kassen laut AVWL dadurch 5,1 Milliarden Euro.
„Wir weisen seit Jahren auf die zunehmenden Lieferengpässe sowie deren Ursachen hin. Seit Monaten warnen wir davor, dass sich die Lage immer weiter zuspitzt.“ Bereits im Dezember sei auf „die Schwachstellen darin“ aufmerksam gemacht worden. In Gesprächen mit Abgeordneten sei man auf viel Verständnis getroffen, Änderungen seien trotzdem nicht vorgenommen worden.
„Dass der Politik offenbar nichts Besseres einfällt als dieser Entwurf, ist schlicht ein Armutszeugnis. Es zeugt davon, dass den politisch Verantwortlichen entweder die ehrliche Bereitschaft fehlt, den Missständen wirklich abzuhelfen, oder aber ihnen fehlt das sachlich-fachliche Know-how dazu. Das eine wie das andere ist gleichsam erschreckend und wird politische Konsequenzen haben müssen.“ Der AVWL fordert Lauterbach auf, „sich schleunigst mit den Apothekerorganisationen in Verbindung zu setzen und die Lebenswirklichkeit in einer Apotheke vor Ort kennenzulernen.“
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