Projekt mit Frauenberatungsstellen

AVWL: Apotheken helfen bei häuslicher Gewalt

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Berlin -

Europaweit sind Millionen Menschen mehr oder weniger gezwungen, zuhause zu bleiben. Auch in Deutschland wächst nun das Bewusstsein, dass das für viele Menschen nicht nur die naheliegenden Probleme durch Einschränkungen im Alltag mit sich bringt, sondern auch die Gefahr erhöht, Opfer häuslicher Gewalt zu werden. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) hat nun ein Projekt mit dem Dachverband der autonomen Frauenberatungsstellen in NRW gestartet: Apotheken sollen über Möglichkeiten aufklären, sich Hilfe zu suchen.

Vor allem für viele Frauen und Kinder geht die Gefahr während der aktuellen Coronakrise nicht nur von einem neuartigen Krankheitserreger aus, sondern auch von den Menschen, mit denen sie die Wohnung teilen. „Die Krise und die Isolierungsmaßnahmen verschärfen die Problematik der Gewalt an Frauen und Kindern und stellen die Frauenberatungsstellenwie alle anderen Organisationen auch vor besondere Herausforderungen und Schwierigkeiten“, schreibt der Dachverband der autonomen Frauenberatungsstellen in NRW. Diese Sicht teilt der AVWL und hat deshalb gemeinsam mit dem Dachverband nun eine Aktion ins Leben gerufen, die Betroffenen helfen soll, Helfer zu finden.

Deshalb werden in den kommenden Wochen in den Apotheken Westfalen-Lippes Hinweiszettel mit den Kontaktdaten wichtiger Anlaufstellen ausliegen, an die sich sowohl die Opfer häuslicher Gewalt wenden können, als auch diejenigen, die Rat brauchen, wie Opfern geholfen werden kann. „Der Gang zur Apotheke ist derzeit eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen Opfer häuslicher Gewalt den eigenen vier Wänden entkommen können“, erklärt Aysel Sırmasaç, Geschäftsführerin des Dachverbands der autonomen Frauenberatungsstellen NRW die Aktion.

„Die Apotheken vor Ort sind für die Menschen niedrigschwellige und vertraute Anlaufstellen im Dorf, im Viertel oder im Wohnquartier – und zwar nicht nur in Gesundheits-, sondern auch in vielen anderen Fragen“, betont auch der AVWL-Vorsitzende Dr. Klaus Michels. Das dichte Netzwerk von 1800 Apotheken in Westfalen-Lippe sei gut geeignet, die Informationen zu vermitteln, wo Gewaltopfer Hilfe finden können.

Mit der Aktion folgt die AVWL auch einer Empfehlung, die die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in ihrer Stellungnahme zum Ausstieg aus den derzeitigen Beschränkungen zur Pandemieeindämmung ausgesprochen hat. Die hatte vor massiven psychischen und sozialen Auswirkungen der aktuellen Situation gewarnt – explizit auch davor, dass häusliche Gewalt zunehmen könne. Von den bisherigen Belastungen – beispielsweise der Bedarf, aufgrund von Schul- und Kitaschließungen die Kinder zu betreuen – seien Frauen überproportional betroffen. Hinzu komme, dass viele Menschen kaum noch aus dem Haus kommen, die Opfer häuslicher Gewalt also mit ihren Peinigern mehr oder weniger eingesperrt sind.

Dadurch steige momentan die Bedeutung von Hotlines und Beratungsdiensten. Darüber hinaus soll laut Leopoldina auch erwogen werden, um dem Problem mit Maßnahmen wie in Frankreich oder Spanien zu begegnen. Inspiriert von einem ähnlichen Projekt in Spanien gibt es in Frankreich ein Modell, das Opfern von häuslicher Gewalt helfen soll, möglichst diskret Hilfe zu holen: Betreten sie eine Apotheke, sollen sie nach „Maske Nummer 19“ fragen. Die Apothekenmitarbeiter sollen daraufhin die Polizei alarmieren. Ende März ging dazu ein Rundschreiben bei den französischen Apotheken ein, das die neue Vorgehensweise erklärte. Die Regierung habe zudem weitere Maßnahmen ergriffen, um Betroffenen von häuslichen Übergriffen eine Fluchtmöglichkeit zu bieten. So finanziere sie 20.000 Hotelübernachten, um Familien eine Ausweichmöglichkeit zu ermöglichen.

In Deutschland gibt es ein solches Programm nicht. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) verkündete jedoch vergangene Woche, dass sie dem Problem mit einer Stärkung der Frauenhäuser begegnen will. So erhalten die Einrichtungen während der Coronakrise im Rahmen einer neuen Förderleitlinie finanzielle Unterstützung, um ihre Telefon- und Onlineberatung ausbauen zu können. Giffey rief die Landesregierungen dazu auf, Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen als systemrelevant einzustufen und entsprechend mit Personal und Material zum Infektionsschutz auszurüsten. „Wie sehr sich die Lage in den eigenen vier Wänden in den vergangenen Wochen verschärft hat, wissen wir womöglich erst nach Ende der Krise“, so Giffey.

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