Apothekenstärkungsgesetz

Ausweg gesucht: Erst Brüssel, dann Kabinett

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Berlin -

Letzte Woche hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen vorläufigen Kabinettsentwurf zum Apothekenstärkungsgesetz vorgelegt. Noch immer gibt es aber keinen Konsens mit dem Bundesjustiz- (BMJV) und dem Bundesfinanzministerium (BMF). Jetzt kommt dem Vernehmen nach eine neue Idee ins Spiel: Vor einem formalen Kabinettsbeschluss könnte zunächst die Meinung der EU-Kommission in Brüssel eingeholt werden. Für Ursula von der Leyen als neue Kommissionspräsidentin wäre das eine knifflige Aufgabe.

Dem Vernehmen nach bestehen im Bundesjustizministerium nach wie vor Bedenken wegen der europarechtlichen Zulässigkeit des Spahnschen Vorschlags, im deutschen Sozialrecht ein Rx-Boni-Verbot zu verankern. Auch das Bundesfinanzministerium hat dem Entwurf noch nicht zugestimmt. Dort gibt es zweierlei Bedenken: Die Beamten fordern von Spahn eine Gegenfinanzierung für die Mehrausgaben für den Nacht- und Notdienstfonds, das BtM-Honorar und für die zusätzlichen pharmazeutischen Leistungen. Schließlich zahlt das BMF derzeit 14 Milliarden Euro Steuergeld in den Gesundheitsfonds. Über die Verwendung der Mittel müssen die BMF-Beamten wachen.

Deshalb will das Haus von SPD-Finanzminister Olaf Scholz wissen, wofür das Extra-Geld ausgegeben werden soll. Die bisherigen pauschalen Aussagen im Gesetzentwurf sind den Beamten dem Vernehmen nach zu unkonkret. Damit greift das BMF zudem eine Position der SPD-Gesundheitspolitiker auf. „150 Millionen Euro für die eigene Verteilung durch die Apotheker sind nicht machbar“, hatte Lauterbach bereits vor Wochen kritisiert, „das haben wir noch nie gemacht.“ Bereits früher hatte der SPD-Fraktionsvize auf diesen Punkt aufmerksam gemacht und erklärt, die SPD wolle bei der Verteilung eine Kontrolle einführen. Daher empfahl Lauterbach, das Apothekenstärkungsgesetz „komplett neu anzusetzen“.

In den kommenden Tagen soll noch einmal versucht werden, eine gemeinsame Linie zwischen BMG, BMJV und dem BMF zu finden. Dabei kommt eine neue Idee ins Spiel: Die drei Ministerien könnten sich darauf verständigen, einen überarbeiteten Entwurf zum Apothekenstärkungsgesetz vor der formalen Zustimmung durch die Ministerrunde der Brüsseler EU-Kommission zur Bewertung vorzulegen. Gäbe Brüssel sein Okay, würde das Kabinett zustimmen und der Konflikt zwischen BMG, BMJV und BMF wäre erledigt. Lehnt Brüssel den Vorschlag ab, wäre das Apothekenstärkungsgesetz allerdings gescheitert.

Sollte Noch-Verteidigungsministerin von der Leyen tatsächlich den Chefposten der EU-Kommission übernehmen, stünde sie vor einer kniffligen Aufgabe. Die harte Position der EU-Kommission ist bekannt. Käme von der Leyen dem deutschen Gesetzentwurf entgegen, brächte sie mit einer ihrer ersten Amtshandlungen sogleich den Brüsseler Beamtenapparat gegen sich in Stellung. Außerdem: Eine Bewertung durch Brüssel braucht Zeit. Im August ist Sommerpause in Brüssel, die Kommission arbeitet normalerweise nicht. Damit dürfte sich die eigentlich für September geplante Beratung des Apothekenstärkungsgesetzes im Parlament verzögern.

Die wachsenden Sorgen der ABDA sind daher berechtigt, dass auch der zweite Anlauf für eine gesetzliche Antwort auf das EuGH-Urteil vom Oktober 2016 erneut scheitern könnte, weil zuvor die Große Koalition auseinander fällt. Am Ende stünden die Apotheker mit leeren Händen da – keine Erhöhung des Nacht- und Notdienst-Honorars, kein Extra-Geld für neue pharmazeutische Leitungen.

Auch von andere Seite droht neues Ungemach: Mit Argusaugen beobachtet die ABDA die neue politische Lage. Rückt von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin auf, wird möglicherweise nicht nur ein neuer Verteidigungsminister gesucht. In Berlin kursieren mehrere Nachfolgevarianten. Weil CSU-Mann Manfred Weber seine Ambitionen auf das EU-Präsidentenamt aufgeben musste, könnte die CSU Anspruch auf den Posten des Verteidigungsministers erheben.

Entwicklungsminister Gerd Müller könnte aufrücken und CSU-Politikerin Dorothee Bär ins Kabinett als Entwicklungsministerin folgen. Damit bliebe auch die Geschlechterbalance gewahrt. Spekuliert wird auch über einen Ressorttausch: Die CSU erhält das Verteidigungsministerium, dafür müsste CSU-Innenminister Horst Seehofer seinen Stuhl räumen.

Immer wieder im Gespräch als neuer Verteidigungsminister ist Jens Spahn. Als Chef der Bundeswehr könnte Spahn in die internationale Liga der Politik bei Nato-Teffen und G20-Gipfeln aufrücken. Das Amt bietet Spielraum für noch mehr Aufmerksamkeit auch als Nebenaußenminister. Dass Spahn es versteht, sich in Szene zu setzen, hat er bereits als Gesundheitsminister vorgeführt. Das Verteidigungsministerium böte für seine Ambitionen eine größere Bühne.

Auf Spahn ins Gesundheitsministerium folgen könnte dann die frühere Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU), die derzeit als Integrationsbeauftrage der Bundesregierung im Kanzleramt wirkt. Ein solcher Ministerwechsel würde allerdings ausgerechnet in die Schlussphase der Erstellung des Kabinettsentwurfs zum Apothekenstärkungsgesetz fallen. Welche Konsequenzen das hätte, ist nur schwer abschätzbar. Widmann-Mauz hat sich in der Vergangenheit mehrfach für ein Rx-Versandverbot stark gemacht. Zudem verfügt DAV-Chef Fritz Becker über einen kurzen Draht zur Politikerin aus Baden-Württemberg. Ob sie Spahn Vorlage aufgreifen und umsetzen würde, oder ein komplett neues Gesetz vorlegen würde, bleibt abzuwarten.

Klar ist derzeit nur eines: Mit der Kandidatur von von der Leyen für den Spitzenposten der EU-Kommission sind für die Apotheker neue politische Unwägbarkeiten entstanden. Vieles ist denkbar und möglich.

 

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