Das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) geht in Sachen Hilfsmittelversorgung hart mit den Krankenkassen ins Gericht: Das wettbewerbsbasierte Vertragsmodell habe sich in diesem Bereich nicht bewährt und sollte daher abgeschafft werden.
Laut BAS ist Versorgung mit qualitativ hochwertigen Hilfsmitteln für betroffene Patientinnen und Patienten eine Grundvoraussetzung für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in allen Lebenslagen. Das gelte insbesondere für ältere oder behinderte Menschen.
Im Rahmen der eigenen Aufsichtspraxis habe man jedoch beobachten müssen, dass die Vorgaben des Gesetzgebers nur unzureichend eingehalten würden: „Wir stellen vor allem fest, dass nicht alle Krankenkassen über eine ausreichende Anzahl an Verträgen verfügen.“
Noch nicht einmal ausreichend Transparenz sei da: „Auch fast zwei Jahre nach Aufforderung durch mein Amt war es noch immer nicht allen Krankenkassen möglich, verwertbare Daten zur Verfügung zu stellen, die einen Überblick über die geschlossenen Verträge ermöglichen.“ Bisher gebe es keine einzige bundesunmittelbare Krankenkasse, die ihre Versicherten über die wesentlichen Vertragsinhalte im geforderten Umfang informiere.
„Zur Sicherstellung der Patientensouveränität ist es jedoch unerlässlich, dass die Versicherten verständliche Informationen über die Versorgungsangebote ihrer Krankenkassen erhalten. Der Gesetzgeber wollte die Versicherten in die Lage versetzen, die Leistungsangebote der verschiedenen Krankenkassen miteinander zu vergleichen und sich auf dieser Basis für die Krankenkasse ihrer Wahl entscheiden zu können.“
Darüber hinaus gebe es zahlreiche Beschwerden von Leistungserbringern über Schwierigkeiten bei den Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen. So werde immer wieder über Qualitätsdefizite und rechtswidrige Verhaltensweisen von Krankenkassen im Vertragsverhandlungsgeschäft geklagt. Zahlreiche Leistungserbringer beschwerten sich darüber, dass Krankenkassen auf beitrittsfähige Verträge verwiesen und keine Verhandlungen zuließen.
Dazu aber seien die Kassen verpflicht, so das BAS. Sie dürften auch keine Auswahlentscheidungen hinsichtlich bestimmter Leistungserbringer treffen, mit denen sie Vertragsverhandlungen führten, da sie jedem Leistungserbringer Vertragsverhandlungen ermöglichen müssten. „Im Gegensatz zu einem öffentlichen Auftrag ist die Anzahl der Vertragspartner nicht auf einen oder wenige exklusive Partner beschränkt.“
Zwar habe das BAS keine Handhabe, unterschiedliche Preisvorstellungen im Rahmen eines aufsichtsrechtlichen Prüfverfahrens gegeneinander abzuwägen und daher keine Möglichkeit, die Leistungsträger zu einem Vertragsschluss auf Grundlage abweichender Kalkulationen zu verpflichten. „Auch darf das BAS – im Gegensatz zu Sozialgerichten – keine Gutachten in Auftrag geben oder Beweiserhebungsverfahren (Prüfung der verschiedenen Behauptungen) durchführen.“
„Offensichtlich unzureichende Versorgungspauschalen in der Inkontinenzversorgung hat das BAS aber zum Anlass genommen, im aufsichtsrechtlichen Dialog auf eine Anpassung des Preisniveaus hinzuwirken.“ Bereits vor zwei Jahren habe man sich vor dem Hintergrund der zahlreichen Rechtsverstöße der Krankenkassen dazu entschlossen, den Umsetzungsstand der gesetzlichen Regelungen „umfassend und in einer alle bundesunmittelbaren Krankenkassen betreffenden Prüfung systematisch und nicht mehr nur anlassbezogen durchzuführen“.
Das Fazit ist ernüchternd: Weder sei das Ziel des Gesetzgebers erreicht, dass mit den Verträgen die Qualität der Versorgung verbessert und Aufzahlungen der Versicherten vermieden werden, noch sei eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung mit Hilfsmitteln gewährleistet. „Insbesondere die Umstellung auf das Vertragsmodell hat sich in diesem Bereich nicht bewährt; es konnten keine positiven Effekte durch die vorgegebenen wettbewerblichen Instrumente beobachtet werden.“
Gleichzeitig müsse man feststellen, dass viele Krankenkassen unter Aufsicht des BAS – also die bundesunmittelbaren Krankenkassen wie die Ersatzkassen, große Betriebs- und Innungskrankenkassen oder die Knappschaft – nur unzureichend ihrer Pflicht zur Prüfung der Qualität der Versorgung nachkämen.
„Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren mehrfach den gesetzlichen Rahmen für die Hilfsmittelversorgung mit dem Ziel reformiert, die Versorgungsqualität zu erhöhen. Das BAS wird daher als Aufsichtsbehörde die bundesunmittelbaren Krankenkassen bei der Umsetzung des gesetzlichen Auftrags begleiten und mit diesen den unmittelbaren Austausch fortsetzen.“
Mit Blick auf die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens hat das BAS eine wesentliche Einschätzung getroffen: Das wettbewerbsbasierte Vertragsmodell in der Hilfsmittelversorgung habe sich nicht bewährt hat; daher werde eine Rückkehr zur Zulassung der Leistungserbringer per Verwaltungsakt und landesweit einheitlicher Versorgungsverträge vorgeschlagen.
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