Das Bundesversicherungsamt (BVA) und die Aufsichtsbehörden der Länder haben die zwischen den Kassenärzten in Nordrhein und mehreren Kassen geschlossenen Versorgungsverträge als unzulässig kritisiert und deren Kündigung erwirkt: Die Behörden werfen unter anderem DAK, TK und KKH vor, mit den Selektivverträgen die ärztlichen Diagnosen zu beeinflussen und damit höhere Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu erhalten. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein fühlt sich „genötigt“.
Die Aufsicht betrachtet die seit Januar geltenden „Versorgungsstärkungsverträge“ der KV mit der AOK Rheinland/Hamburg, der KKH und der DAK sowie den Vertrag mit der TK als unzulässig. „Unsere Vertragspartner sind jetzt offiziell von ihren zuständigen Aufsichtsbehörden aufgefordert worden, die Verträge zu kündigen. Diese Entwicklung war nach den jüngsten Signalen und teilweise öffentlichen Äußerungen von Vertretern sowohl des NRW-Gesundheitsministeriums als auch des Bundesversicherungsamtes absehbar“, so Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein.
Da eine sofortige Kündigung inakzeptabel sei, habe man sich dazu entschlossen, die Verträge in einem zweistufigen Verfahren zum 31. März beziehungsweise 30. April zu beenden. „Zu diesem Schritt sehen wir uns genötigt, obwohl wir die Bedenken der Aufsichtsbehörden nicht teilen und nach wie vor davon ausgehen, dass die Verträge den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Für uns ist die veränderte Bewertung der Verträge durch die Aufsichtsbehörden nicht nachvollziehbar“, so Bergmann.
Daher werden die diagnose- und quartalsbezogenen Vergütungspauschalen für die teilnehmenden Ärzte ab April nicht mehr honoriert werden. Die übrigen leistungsbezogenen Pauschalen würden noch bis Ende April vergütet – dazu zählen laut KV die Besuchsleistungen, Leistungen bei Diabetes-Begleiterkrankungen sowie Leistungen des Medikationsplans bei allen Verträgen sowie die Überweisungssteuerung im Vertrag mit der TK.
Man habe sich in der Vergangenheit wiederholt mit den „sogenannten Versorgungsstärkungsverträgen“ auseinandersetzen müssen, da sie „im Verdacht stehen, dass über sie in unzulässiger Weise das Kodierverhalten der ärztlichen Leistungserbringer beeinflusst würde“, so ein Sprecher des BVA. Zuletzt haben sich die Aufsichtsbehörden auf Einladung des BVA am 21. Februar mit der Thematik befasst.
Auf dieser Arbeitsgruppensitzung hätten sich die Aufsichtsbehörden darauf verständigt, dass Leistungen in Selektivverträgen nur dann zusätzlich vergütet werden dürften, wenn die Versorgungsziele und die zusätzlichen Leistungen konkret beschrieben würden und dem Arzt ein zusätzlicher Aufwand im Vergleich zur Regelversorgung entstehe. Erforderlich ist darüber hinaus, dass die Leistung jeweils im Hinblick auf das spezifische Krankheitsbild dem Patienten einen Nutzen bringe. Dieser Sachzusammenhang sei in dem Vertrag nachvollziehbar darzustellen. Zudem dürfe die Höhe der Vergütung für die vertragliche Leistung nicht in Abhängigkeit von der Anzahl der dokumentierten Diagnosen variieren.
Da die in Rede stehenden Verträge nicht den genannten Voraussetzungen entsprochen hätten, habe man die seiner Aufsicht unterstehenden Krankenkassen zur außerordentlichen Kündigung dieser Verträge aufgefordert, so das BVA. Die fraglichen Verträge sähen Honorare in Abhängigkeit von der Anzahl der Diagnose vor. Die festgelegten Auswahl der Diagnosen sei „in der Regel Morbi-RSA relevant“ und habe Einfluss auf die Zuweisungen der Kassen.
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