Nicht alle Apotheker:innen können oder wollen in ihrer Offizin gegen Covid-19 impfen. Müssen sie auch nicht. Aber ungefähr die Hälfte würde gern in die Impfkampagne einsteigen. Sie stehen bereit, fangen teilweise schon mehr oder weniger heimlich an. Doch ihre eigene Standesvertretung steht aus unerfindlichen Gründen auf der Bremse. Ein Kommentar von Alexander Müller.
Frühestens Ende Januar, eher Anfang Februar könne nennenswert in Apotheken geimpft werden, dämpft Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening erneut die Erwartungen. Dann sollen aber nach den 30 Millionen Boostern in diesem Jahr noch einmal so viele Auffrischungen durchgeführt worden sein – heißt nach den Planungen der Abda: 60 Millionen Booster (je 28 oder sogar 36 Euro pro Impfung) ohne die Apotheken.
Für diese skurrile Position gibt es zweieinhalb Argumente. Das erste: Die Apotheken müssten geschult werden. Früher einsteigen darf nur, wer heute schon in einem Modell für Grippe-Impfungen mitmacht. Warum ist diese Schulung nicht längst fertig? Seit Monaten wird darüber diskutiert, dass es notwendig sein könnte, zusätzliche niedrigschwellige Impfangebote zu machen, seit Monaten sind die Apotheken dafür im Gespräch.
Selbst wenn man der Abda ihr standespolitisches Leisetreten gegenüber der Ärzteschaft zugestehen möchte: Was hat die Bundesapothekerkammer (BAK) daran gehindert, das Curriculum im Stillen zu Papier zu bringen? Dass das Papier längst fertig ist und nur die Bundesärztekammer (BÄK) mauert, ist übrigens kein Argument: Immerhin hat der Gesetzgeber eine Frist für die Fertigstellung bis Jahresende vorgegeben.
Die Apotheken mussten sich ja nicht gleich offensiv ins Spiel bringen, aber vorbereitet zu sein, wenn man von der Politik schließlich doch gerufen wird, das gehört zu den ersten Aufgaben einer Standesvertretung. Overwiening hätte dem neuen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zum Begrüßungstermin selbstbewusst mitteilen können: Wir sind bereit. Wann sollen wir loslegen? Wo ist der Impfstoff?
Das zweite Argument: Die Software für die Meldung jede Impfung ans Robert Koch-Institut (RKI) werde derzeit noch programmiert. Abgesehen davon, dass ein solches Meldesystem Expert:innen zufolge geradezu lächerlich trivial ist: Arztpraxen und Impfzentren machen das doch seit Monaten. Warum wurde im DAV-Portal nicht längst eine entsprechende Funktion integriert? Wo Overwiening doch in der Anhörung selbst zu Protokoll gegeben hat, dass es daran nicht scheitern wird.
Bei den Impfzertifikaten hatte sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) der Politik mit seinem Portal doch geradezu aufgedrängt – übrigens auch damals zum Missfallen der Ärzteschaft. Und trotz der IT-Panne mit kurzfristigem Portal-Lockdown haben die Apotheker:innen mit ihrem Einsatz und ihrer schnellen Bereitschaft durchaus Eindruck im BMG hinterlassen. Diese Chance wird diesmal verpasst.
Die beiden Argumente wollen zudem nicht recht zusammen passen: Warum können bereits Grippeimpfung-geschulte Apotheken schon Anfang Januar einsteigen, wenn es noch keine Lösung für die RKI-Meldung gibt? Indes wird die Abda von der Realität überholt: Die Apotheken schulen sich selbstständig, kooperieren mit Arztpraxen vor Ort und es dürfte für die Standesvertretung politisch schwer haltbar sein, hier allzu penibel auf die eigenen Standards zu verweisen. Gegenüber dem BMG und auch gegenüber den positiv gestimmten Ärzt:innen.
Der befürchtete Ärger mit den ärztlichen Kolleg:innen scheint ohenhin in der Vorstellung oft größer als in der Realität – auch die Praxen freuen sich in dieser Phase der Pandemie über Entlastung und sind vor allem an einem Erfolg der Impfkampagne interessiert.
Es werden nicht alle Apotheken impfen, und das ist auch vollkommen in Ordnung so. Denn es gibt viele mögliche Hindernisse, das größte ist meistens die ohnehin schon ausgedünnte Personaldecke. Manchmal fehlt auch einfach der Platz und eine externe Lösung ist nicht möglich. Und ja, im Moment ist auch noch Comirnaty knapp. Aber wie wäre es, wenn die Abda sich diesmal um die Aktiven kümmern würde, die einfach nur helfen wollen.
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