Krise bei Versorgungswerken

Auch Hessen und Westfalen-Lippe schreiben ab

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Berlin -

Nicht nur die Apothekerversorgung in Schleswig-Holstein musste im vergangenen Jahr wegen riskanter Immobilieninvestments viel Geld abschreiben. Mit einem zweistelligen Millionenbetrag trifft die allgemeine Unruhe am Finanzmarkt auch das Versorgungswerk der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (VAWL), in das auch die Kolleginnen und Kollegen aus Bremen einzahlen. Und auch in Hessen gibt es das zweite Jahr in Folge Wertkorrekturen in ähnlichem Umfang.

Auf 21,3 Millionen Euro summieren sich 2023 beim VAWL die Abschreibungen auf Kapitalanlagen; im Vorjahr waren es noch 2,5 Millionen Euro. Der größte Anteil von 19,3 Millionen Euro entfällt auf Immobilienfonds; das Management spricht von „punktuellen, bewertungsbedingten Abschreibungserfordernissen im Teilportfolio Immobilien“. Weitere 750.000 Euro müssen außerplanmäßig im Bereich der alternativen Investments abgeschrieben werden.

Laut Geschäftsführung zeigt die Krise am Immobilienmarkt sehr deutlich, dass höhere Zinsen auch negative Auswirkungen haben können. Nach Abschreibungen aufgrund von Neubewertungen rutschte die erwirtschaftete Nettorendite des Teilportfolios Immobilien von 5,1 auf 1,9 Prozent. Da andere Bereiche besser liefen – Wertpapierfonds lieferten eine Nettorendite von 3,4 und alternative Anlagen 5,7 Prozent – liegt der Rechnungszins bei 3,41 Prozent und damit nur 0,01 Prozentpunkte unter Vorjahr.

So wurden absolut immerhin noch Nettoerträge in Höhe von 90 Millionen Euro erwirtschaftet, was allerdings knapp 13 Millionen Euro unter dem Vorjahresniveau lag. „Da die erwirtschaftete Nettorendite oberhalb der aus versicherungsmathematischer Sicht notwendigen Nettorendite lag, trug das Kapitalanlageergebnis gleichwohl positiv zum Rohüberschuss bei.“ Dieser lag bei 66,5 Millionen Euro, nach 87,6 Millionen Euro im Vorjahr.

Zur Einordnung: Im Immobilienbereich hält das VAWL noch Anlagen in Höhe von 709 Millionen Euro, insgesamt summiert sich das Anlagevermögen auf 2,74 Milliarden Euro.

Allerdings geht man genauso in Münster davon aus, dass weitere Abrechnungen unvermeidbar sind: „Wir rechnen damit, dass die Korrekturphase bei den Bewertungen im Immobiliensektor noch nicht abgeschlossen ist, und erwarten 2024 weitere Belastungen.“

Hessen: Zweites Jahr in Folge

In Hessen musste das Versorgungswerk der Landesapothekerkammer ebenfalls wegen Wertminderungen außerplanmäßige Abschreibungen auf Finanzanlagen in Höhe von knapp 21 Millionen Euro vornehmen. Es ist das zweite Jahr in Folge, 2022 mussten knapp 25 Millionen Euro bei den Kapitalanlagen aus den Büchern genommen werden, bei einem Gesamtanlagevermögen von 2 Milliarden Euro. Allerdings konnten 2023 wieder deutlich höhere Erträge erzielt werden, sodass die Nettorendite von 0,82 auf 2,7 Prozent gesteigert werden konnte.

Verluste in Schleswig-Holstein und Niedersachsen

Bei der Apothekerversorgung in Schleswig-Holstein mussten 2023 außerplanmäßige Abschreibungen in Höhe von 54,9 Millionen Euro vorgenommen werden – bei Kapitalanlagen in Höhe von insgesamt 800 Millionen Euro. Damit wurde eine negative Rendite von 2,23 Prozent erzielt; um keinen negativen Jahresabschluss vorlegen zu müssen, entschieden die zuständigen Gremien, einen Teil der Zinsreserve in Höhe von 24 Millionen Euro aufzulösen, sodass diese nunmehr auf 21 Millionen Euro abgeschmolzen ist.

Niedersachsen war bereits 2022 in diese Situation geraten. Wie hoch die Abschreibungen waren, wurde gegenüber den Mitgliedern zwar nicht verraten; tatsächlich waren es 67 Millionen Euro. Hinzu kamen 5 Millionen Euro aus Verlusten durch den Abgang von Kapitalanlagen. Der Bestand insgesamt ging um 109 auf 2,24 Milliarden Euro zurück.

Die Nettorendite lag bei -0,49 Prozent; nur durch den Griff in die Rücklagen konnten Auswirkungen auf Leistungen oder Planungen verhindert werden: 37,7 Millionen Euro wurden aus der Zinsschwankungsreserve entnommen, allerdings ist diese mit 202 Millionen Euro nach wie vor gut gefüllt. Der aktuelle „Jahresreport“ mit einigen wenigen ausgewählten Kennzahlen wurde noch nicht veröffentlicht.

Auch andere Apothekerversorgungen mussten bereits im Vorjahr außerordentliche Wertkorrekturen vornehmen. So musste das Versorgungswerk der Apothekerkammer Nordrhein 2022 bei den Kapitalanlagen 28 Millionen Euro abschreiben; hinzu kamen Verluste aus dem Abgang von Kapitalanlagen in Höhe von 5,8 Millionen Euro. 2023 mussten dann nur noch 7,5 Millionen Euro abgeschrieben werden; das Anlagevermögen liegt hier ebenfalls bei insgesamt rund 2,7 Milliarden Euro.

Wenig auffällig waren die letzten Jahresberichte aus Bayern und Mecklenburg-Vorpommern und damit der größten und der kleinsten Apothekerversorgung mit einem Anlagevermögen von 10,1 Milliarden beziehungsweise 235 Millionen Euro. Allerdings steht der Geschäftsbericht für 2023 aus Bayern noch aus – und hier könnte sich das Engagement der übergeordneten Bayerischen Versorgungskammer bei der insolventen Signa-Gruppe des Österreichers René Benko niedergeschlagen haben.

Kammern gegen Transparenz

Andere Kammern lehnen jegliche Veröffentlichung und damit Transparenz ab. „Satzungsgemäß wird der Geschäftsbericht den Gremien des Versorgungswerks sowie unserer Aufsichtsbehörde zur Verfügung gestellt. Auf individuelle Anfrage erhält auch jedes Versorgungswerksmitglied den Bericht zugesandt. Eine darüber hinausgehende Veröffentlichung ist nicht vorgesehen; dies bedürfte einer entsprechenden Satzungsänderung“, heißt es etwa von der Sächsischen Landesapothekerkammer (SLAK). Und auch die Apothekerversorgung Berlin teilt mit, keine Geschäftsberichte des Versorgungswerks zu übersenden.

Die gestiegenen Zinsen haben allerdings nicht nur die Versorgungswerke getroffen, sondern auch zahlreiche Sparkassen und andere Banken. Wertkorrekturen sind in solchen Fällen verpflichtend, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Werte später wieder aufgewertet werden. Die erforderlichen Anpassungen in der Bilanz laufen dann über die Gewinn- und Verlustrechnung, sind aber in der Regel nicht cashwirksam. Um solche Effekte auszugleichen, gibt es die Zinsschwankungsreserve. Nur wenn es, wie zuletzt in Schleswig-Holstein, tatsächlich zu endgültigen Ausfällen oder auch zu Veräußerungsverlusten kommt, sind die Verluste auch tatsächlich realisiert.

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