Mit dem Kombi-Präparat Komboglyze (Saxagliptin/Metformin) hat der
Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) erstmals einem DPP-4-Hemmer einen
Zusatznutzen zugesprochen. Ähnlich wie Boehringer Ingelheim und Eli
Lilly mit Linagliptin hatte auch AstraZeneca angekündigt, das Präparat
bei einem negativen Bescheid vom Markt zu nehmen. Bei der angekündigten
Prüfung des Bestandsmarkts steht Saxagliptin als Monopräparat nun erneut
auf dem Prüfstand. Im Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt Dr. Claus
Runge, Mitglied der Geschäftsführung bei Astra Zeneca, warum der
Wirkstoff auch diese Nutzenbewertung bestehen wird – und wie
kritisch er die Rolle der GKV-Spitzenverband in den Preisverhandlungen sieht.
ADHOC: Vor der Bewertung des G-BA war darüber spekuliert worden, dass Sie Komboglyze vom Markt nehmen. Hat der Beschluss Ihre Meinung geändert?
RUNGE: Es ist ein gutes Signal für den Erhalt der therapeutischen Vielfalt, dass der G-BA Komboglyze einen Zusatznutzen zugesprochen hat. Wir werden daher die Patienten in Deutschland auch weiterhin mit der Kombination versorgen können.
ADHOC: Der Zusatznutzen ist laut Beschluss nur „gering“. Kein gutes Vorzeichen für die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband.
RUNGE: Ich glaube, dass wir eine gute Ausgangsbasis für die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband haben. Dem Präparat wurde aufgrund des positiven Nebenwirkungprofils ein Zusatznutzen zugesprochen. Wir sind auch zufrieden mit dieser Bewertung, weil für Gliptine noch keine Langzeit-Outcome-Studien vorliegen.
ADHOC: Als Monopräparat soll Saxagliptin bald nochmals geprüft werden. Wie sehen Sie Ihre Chancen?
RUNGE: Auch für Saxagliptin konnten wir in den Studien gute Daten vorlegen. Daher sind wir optimistisch, dass uns der G-BA auch für dieses Präparat einen Zusatznutzen zuspricht. Wir hoffen zudem, als erster Hersteller in Deutschland noch eine Langzeit-Outcome-Studie für das Gliptin in das Verfahren einbringen zu können.
ADHOC: Nach Linagliptin hätte die Saxagliptin-Kombi der zweite DPP-4-Hemmer ohne Zusatznutzen sein können. War der Beschluss des G-BA vielleicht auch ein politischer, um die Gliptine nicht ganz aus dem Markt zu drängen?
RUNGE: Die Entscheidung wurde aufgrund der vorliegenden Daten getroffen. Man erkennt aber auch, dass insbesondere die Ärzte sich im G-BA für die therapeutische Vielfalt einsetzen.
ADHOC: Klingt so, also ob Sie kein Vertrauen in die Rolle des GKV-Spitzenverbandes haben.
RUNGE: Die durchgängige Rolle des GKV-Spitzenverbandes ist ein Knackpunkt im Verfahren der frühen Nutzenbewertung. Der Verband begleitet den gesamten Prozess: Von der Auswahl der Vergleichstherapie, über die Bewertung des Zusatznutzens, die Preisverhandlungen bis hin zu einem eventuellen Schiedsverfahren. Wir sehen ein Problem in dieser Mehrfachrolle.
ADHOC: Etwa 60 Prozent aller neuen Wirkstoffe wurde seit dem AMNOG ein Zusatznutzen zugesprochen. So unzufrieden kann die Pharmaindustrie mit der frühen Nutzenbewertung also nicht sein.
RUNGE: Das bezieht sich auf die Anzahl der Verfahren. Bezogen auf die Prävalenz, also auf die Patientengruppen, die davon profitieren, ist es deutlich weniger. Das liegt an der wiederholten Aufspaltung der Krankheitsbilder in viele kleine Subgruppen. Aber: Grundsätzlich können wir uns mit der frühen Nutzenbewertung abfinden, wenn diese auf der Basis fairer und transparenter Regeln abläuft. Das Verfahren ist aber anfällig.
ADHOC: Was sollte sich also ändern?
RUNGE: Ich bin ein Freund von Verhandlungen mit mehreren Einzelkassen. Auch in der Vergangenheit war das ein Erfolgsmodell. Wir haben zudem beobachtet, dass einzelne Kassen näher am Versorgungsgeschehen sind.
ADHOC: Der neue G-BA-Vorsitzende Josef Hecken sagt von sich, er habe das Verfahren flexibilisiert. Die Dossiers der Pharmaunternehmen würden beispielsweise nicht mehr aus formalen Gründen abgelehnt. Können Sie diese Entwicklung bestätigen?
RUNGE: Grundsätzlich würden wir uns gerne viel mehr mit der Bewertung des Zusatznutzens als mit Formalismen beschäftigen. Herr Hecken hat die Verfahrensordnung weiterentwickelt. Aus unserer Sicht wurden einige Aspekte vereinfacht. Mit Blick auf das Gesamtverfahren ist es besser, nicht an fragwürdigen Formalismen festzuhalten. Insofern hat Herr Hecken dem Prozess schon eine positive Entwicklung gegeben. Vereinfachung führt jedoch nicht zu anderen Ergebnissen. Hier geht es weiter um die Güte der Daten!
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