Nicht nur in Apotheken herrscht Fachkräftemangel. Auch die niedergelassenen Ärzt:innen in Niedersachsen kämpfen mit einem wachsenden Personalnotstand. Manch eine Praxisinhaber:in tut sich schwer, überhaupt noch geeignete Fachkräfte zu finden und steigt notgedrungen auf fachfremde Mitarbeiter um oder macht die Praxis gleich ganz dicht. „Viele Arztpraxen sind längst über ihr Limit hinaus“, sagte Ärztekammer-Sprecher Thomas Spieker. Wegen Personalengpässen müsse oft improvisiert werden.
So berichtet ein Kinder- und Jugendarzt aus der Region Hannover, dass viele medizinische Fachangestellte (MFA) in der Corona-Krise in die Test- und Impfzentren oder Kliniken abgewandert seien, weil es dort mehr Geld zu verdienen gebe. Und ein Hautarzt aus der Landeshauptstadt erzählt, er suche bereits seit einem halben Jahr nach Mitarbeitern, doch gebe es kaum Bewerbungen. Stattdessen habe die Praxis jetzt eine Hotelfachfrau für die Terminvergabe am Telefon und den Empfang engagiert – „weil aus irgendwelchen Gründen niemand mehr in die Praxis will“. Dabei seien die Gehälter in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gestiegen.
Zahlen der Bundesagentur für Arbeit belegen den Mangel. Demnach kamen im Dezember auf 1913 gemeldete Stellen in Niedersachsen lediglich 1161 Arbeitslose aus dem Bereich Arzt- und Praxishilfe. Ein Jahr zuvor war das Verhältnis mit 1404 Stellen und 1587 Arbeitslosen noch weitgehend ausgeglichen. Und vor fünf Jahren gab es mit 1586 Arbeitslosen fast doppelt so viele Fachkräfte wie Stellen (833).
„Der Markt ist praktisch leergefegt“, erklärt Sonja Kazma, Pressesprecherin der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit. „Entsprechend schwierig ist es, freie Stellen zu besetzen, oft dauert es lange, manche bleiben ganz frei.“
Auch eine Allgemeinmedizinerin aus dem Landkreis Peine beobachtet den Fachkräftemangel. Manche Kollegen an der Grenze zum Rentenalter planten mangels Personals jetzt die Praxisschließung, sagt sie. Andere hätten frühzeitig aufgehört zu impfen oder die Urlaube rund um die Jahreswende gezwungenermaßen verlängert. Auf Stellenanzeigen meldeten sich kaum noch medizinische Fachangestellte, zunehmend würden Mitarbeiter aus vielen anderen Bereichen eingestellt.
Die Ärztekammer fordert angesichts der Belastungen für die Praxen in der Pandemie schon länger einen Corona-Bonus für die Fachkräfte, auch wenn diese in ambulanten Praxen tätig sind. Viele MFA seien „über den Rand ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit hinaus beansprucht“, betont die Vizepräsidentin der Kammer, die Ärztin Marion Charlotte Renneberg. Hinzu kämen das erhöhte Infektionsrisiko sowie „Anfeindungen und Beleidigungen, die mittlerweile leider zum Alltag in vielen niedergelassenen Praxen dazugehören“.
Den Mitarbeitern trotzdem keinen Bonus zu gewähren, spalte die Fachkräfte in den Gesundheitsberufen – und das zur Unzeit, sagt Renneberg in Richtung der Bundesregierung. „Gerade im niedergelassenen Bereich suchen wir Ärztinnen und Ärzte händeringend
nach qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern, Debatten wie diese verschärfen den Fachkräftemangel zusätzlich.“
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