Arzneimittelzulassung

Broich: „Wir sehen uns als Partner der Industrie“

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Berlin -

Zulassungsbehörden und Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) wollen sich künftig besser abstimmen, um Herstellern einheitliche Vorgaben machen zu können. Dass im Rahmen der Nutzenbewertung innovative Medikamente vom Markt genommen werden, müsse das Gesundheitssystem aber aushalten.

„Wir sind auf einem guten Weg“, so Professor Dr. Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bei der Veranstaltung „Evidenzbasierte Medizin“ des Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA). Insbesondere mit dem G-BA sei man inzwischen regelmäßig im Austausch. „Wir tauschen sogar Personal gegenseitig aus und haben ein viel größeres gegenseitiges Verständnis für unsere Positionen entwickelt“, sagte Broich. Das komme vor allem den forschenden Arzneimittelherstellern zu Gute.

Erneut betonte der BfArM-Chef, dass auch die Hersteller frühzeitig ihre Hausaufgaben zu machen hätten. Die Studiendesigns seien inzwischen so umfangreich und komplex, dass es für die Firmen fatal sein, wenn die Untersuchungen am Ende an regulatorischen Hürden scheiterten. „Wir sehen uns nicht als Gegner, sondern als Partner der pharmazeutischen Industrie“, betonte Broich.

Es sei unbedingt notwendig, frühzeitig das Instrument der wissenschaftlichen Beratung einzusetzen, die das BfArM anbiete. „Inzwischen machen wir das mit dem G-BA zusammen. So können von Anfang an auch die unterschiedlichen Fragestellungen beider Seiten in die Studienplanung mit einfließen“, so Broich. Das spare für die Hersteller viel Aufwand und Kosten und komme letztendlich dem Patienten zu Gute.

Der Nutzen für den Patienten steht laut Dr. Falk Ehmann von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) im Fokus der neuen Initiative des „Adaptive Pathways“. Das Procedere sieht vor, dass Arzneimittel schneller für bestimmte Patientengruppen zugelassen werden können, wenn ein entsprechender medizinischer Nutzen für eine Subpopulation gezeigt werden kann. „Parallel dazu kann der Hersteller dann weitere Studien durchführen, die Versorgung für Hochrisiko-Patienten kann aber schon gewährleistet werden“, so Ehmann.

Die Initiative sei an sich keine Neuheit, sondern schöpfe lediglich die existierenden regulatorischen Vorgaben flexibler aus als zuvor. „Das ist dringend nötig“, betonte Ehmann. Nicht nur von den Patienten sehe man den Druck, wichtige Innovationen schneller auf den Markt zu bringen. „Auch die Gesundheitssysteme und die Hersteller sind einem hohen Kostendruck unterworfen.“

Je früher man wirksame Medikamente am Markt habe, umso besser. Ansonsten könne man schnell mit den gleichen Vorwürfen konfrontiert werden wie die US-Zulassungsbehörde FDA. „Dort sahen sich die Kollegen mit der Schlagzeile konfrontiert, jedes Jahr Tausende von Patienten sterben zu lassen, weil die Zulassung für lebenswichtige Medikamente nicht früh genug erteilt wurde.“

Ehmann sah es als sehr wichtig an, auch Daten aus der klinischen Praxis in den Zulassungsprozess einzubringen. „Das soll durch den Adaptive Pathway gewährleistet werden“, so Ehmann. „Das kann uns helfen, die Medikamente besser zu charakterisieren. In klinischen Studien sind wir in einem künstlichen Setting, welches die Realität vollständig außen vorlässt“.

Solche Daten sollten optimalerweise über gut geplante Registerstudien erhoben werden, schlug Ehmann vor. Dabei sei ein extrem gutes Datenmanagement erforderlich, um die Ergebnisse tatsächlich nutzbar machen zu können. „Aber wenn andere Industriezweige viele Daten erheben können, sollten wir das auch schaffen“.

Auch Dr. Thomas Müller, Leiter der Abteilung Arzneimittel im G-BA, sieht Registerstudien als sinnvolle Ergänzung zu klinischen Studien. „Der G-BA hat das Dogma verlassen, Register gar nicht zu berücksichtigen“, so Müller. Es sei inzwischen klar, dass gut geplante und durchgeführte Registerstudien auch die Bewertung eines Zusatznutzens unterstützen könne. Es brauche aber klare und genaue Regelungen, wie solche Register auszusehen hätten. „Wir können keine Produktregister gebrauchen, es müssen Indikationsregister sein. Das muss dann von klinischen Zentren durchgeführt werden, die Industrie brauchen wir dabei als Geldgeber“.

Der schnelle Zugang zu Medikamenten sei für den Patienten wichtig, das habe auch der G-BA klar vor Augen, so Müller. „Es muss uns aber auch klar sein, dass wir damit ein hohes Risiko in die Versorgung bringen“, betonte Müller. Man sei nicht bereit, Kompromisse einzugehen, wenn nach einer vorläufigen Nutzenbewertung zusätzlich geforderte Daten nicht rechtzeitig eingereicht würden. „Dann nehmen wir eine vorherige Bewertung auch zurück. Wenn dann die Hersteller das Medikament vom Markt nehmen, ist das ihre Entscheidung. Das Gesundheitssystem muss das aushalten können“.

Deutliche Kritik übte Müller an der Arbeit der EMA. „Wir haben über Europa eine enorme Spreizung der Zeitspanne zwischen Zulassung und Markteintritt. Während in Deutschland im Schnitt nur drei Monate nach Zulassung ein Medikament verfügbar sei, müsse man beispielsweise in Italien fast zwei Jahre warten. „Da kann nicht von flächendeckender Versorgung gesprochen werden.“

Die EMA müsse sich damit beschäftigen, die Versorgung in ganz Europa einheitlich schnell zu gestalten. „Projekte des frühen Markteintritts wie Adaptive Pathways helfen in der Situation dann auch nicht.“

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