Immer weniger Arzneimittel sind von der Zuzahlung befreit, weil die Festbeträge immer weiter abgesenkt werden. Ob die Preisspirale überdreht ist, diskutierten Vertreter der Krankenkassen, Hersteller, Apotheker und der Politik beim Frühjahrsfest des Branchenverbands Pro Generika. Eine Entlastung dürfen die Patienten demnach kaum erwarten.
GKV-Vize Johann-Magnus von Stackelberg sieht in den Festbeträgen ein erfolgreiches Instrument. Die Kassen würden hier auch künftig Rationalisierungsreserven für die Versicherten erschließen. Dabei werde man die Zuzahlungen der Versicherten aber „im Auge behalten“, so Stackelberg. So seien die Festbeträge zuletzt bei zehn Wirkstoffen nicht so stark gesenkt worden wie sonst. Eines sei aber klar: „Es gibt keinen Anspruch auf Zuzahlungsbefreiung“, so von Stackelberg.
Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbands (DAV), berichtete, dass es in der Praxis immer wieder zu Diskussionen mit den Patienten komme. Ein Problem dabei sei die Arztsoftware, die selten aktuell sei und oft bis zu einem halben Jahr hinterher hänge. Dadurch stimmten die Angaben des Arztes zur Zuzahlungsbefreiung oft nicht. Ärger gebe es regelmäßig auch, wenn Patienten zuzahlen müssten, weil der Rabattpartner der Kasse nicht lieferfähig sei.
Der CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich hielt dagegen: „Ich möchte hier einmal eine Lanze für die Zuzahlung brechen.“ Das Ziel sei eine Dynamik in der Preisentwicklung gewesen, und nicht, dass alle Arzneimittel zuzahlungsfrei seien. Das Instrument sei von der Politik bewusst gewählt worden, um dem Patienten Eigenverantwortung zu übertragen. „Und es war einer der größten Fehler der vergangenen Legislaturperiode, die Praxisgebühr abzuschaffen“, ist Hennrich überzeugt. Zuzahlungen sieht er nicht als großes Problem, Irritationen gebe es eher, wenn die Patienten zusätzlich Aufzahlungen leisten müssten.
Der Vorsitzende von Pro Generika, Wolfgang Späth, erinnerte die Kassen an den politischen Willen, dass mindestens 20 Prozent der Arzneimittel von der Zuzahlung befreit sein sollen. „Da liegen wir nicht drin.“ Der Hexal-Vorstand Strategie, Portfolio und Marktentwicklung kann sich deshalb vorstellen, dass der Gesetzgeber diese „Soll-“ in eine „Muss-Vorschrift“ überführt. Laut Pro Generika sind heute noch rund 3600 Arzneimittel von der Zuzahlung befreit, vor Jahren waren es einmal 13.000.
Der Mechanismus Festbeträge funktioniere zwar nach wie vor, so Späth. „Aber irgendwann kommt man an einen Punkt, an dem es wirtschaftlich kaum noch oder nicht mehr darstellbar ist.“ Außer mit der Abwärtsspirale bei den Preisen hätten die Hersteller mit steigenden Rohstoffpreisen und Lohnkosten sowie wachsenden Qualitätsanforderungen zu kämpfen.
Die Qualität ist aus Beckers Sicht seit Einführung der Rabattverträge schlechter geworden. Von einer mangelhaften Tablettenfestigkeit bei dem neuen Rabattpartner seiner Kasse konnte er aus eigener Erfahrung berichten. „Das ist mir zu viel Wettbewerb, wenn die Qualität auf der Strecke bleibt“, so der DAV-Chef. Stackelberg hielt dagegen, dass die Qualität „eine Frage der ordentlichen Zulassung“ sei und an anderer Stelle diskutiert werden müsse.
Hennrich glaubt ohnehin nicht daran, dass die Qualität unter der gesetzlichen Sparmaßnahmen wie Festbeträgen oder Rabattverträgen leidet: „Die Tablette wird nicht schlechter wegen eines Rabattvertrags.“ Kritischer sieht der CDU-Politiker die Reimporte, bei denen es Schwierigkeiten geben könne: „Da muss nachjustiert werden.“ Ob die Rabattverträge wiederum mitursächlich für Lieferengpässe seien, müsse die Politik untersuchen.
Pro Generika fordert schon lange im Sinne einer Anbietervielfalt, dass die Kassen nicht unmittelbar nach Patentablauf Rabattverträge abschließen dürfen. „Mittlerweile habe ich mich sogar mit dem Begriff der 'Schonzeit' angefreundet, weil diese in der Jagd dafür da ist, den Bestand zu sichern“, so der Verbandsvorsitzende. Heute gebe es dagegen Rabattverträge mit dem Originalhersteller vor Patentablauf. „Langfristig gesehen muss man sich klarmachen, dass man den Generikaeintritt erschwert, wenn nicht verhindert.“
Hennrich machte den Generikaherstellern wenig Hoffnung, dass die Politik an dieser Stelle aktiv werden könnte: „Eine Schonfrist halte ich für schwierig, da bin ich kein Fan von.“ Bei Biosimilars sehe die Politik durchaus das Problem des Markteintritts, mit der Quotenregelung bei Epoetin habe man aber keine guten Erfahrungen gemacht.
Hennrich kann sich aber eine „Stunde-Null-Regel“ vorstellen, bei der erst nach Patentablauf Verträge geschlossen werden können. Dass beim im Herbst anstehenden Pharmadialog „gegebenenfalls der eine oder andere Punkt ergänzt wird, halte ich für möglich“, so Hennrich. Mehr versprechen wollte der CDU-Politiker nicht.
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