Die Krankenkasse BIG direkt gesund hat in Berlin zu Ende März Teile des Arzneimittelliefervertrages mit dem Berliner Apothekerverein (BAV) gekündigt. Für Teststreifen sowie Krankenkost und Diätetika zur enteralen Ernährung gibt es seit April keine Preisvereinbarung mehr. Die Kasse bietet stattdessen Selektivverträge an, denen Apotheken beitreten können. Tun sie das nicht, sind sie aus Sicht der BIG direkt nicht mehr versorgungsberechtigt. Der BAV sieht das anders.
In Berlin vertritt die BIG direkt als IKK-Landesverband alle sechs Innungskrankenkassen. Das bedeutet, dass die Kasse den Arzneimittelversorgungsvertrag (AVV) auch im Namen der anderen Kassen gekündigt hat. Laut BAV haben allerdings die IKK Brandenburg und Berlin, die IKK classic, die IKK gesund plus und die IKK Südwest bereits schriftlich erklärt, die bisherigen Regelungen unverändert gegen sich gelten zu lassen.
Anders die BIG direkt und die IKK Nord. Beide Kassen haben immerhin mitgeteilt, bis Ende Juni 2017 für bestimmte Arzneimittel, Verbandmittel und einige Medizinprodukte, die ebenfalls in dem gekündigten Paragrafen des AVV geregelt sind, die vereinbarten Preise zu zahlen. Auf diese Weise will die Kasse den Vertragsparteien laut BAV mehr Zeit für eine Verständigung geben.
Anders bei Teststreifen, Krankenkost und Diätetika, für die es keine Übergangsfrist gibt. „Die Änderungen bedeuten, dass die Belieferung nicht mehr auf der Basis des bisherigen freiwilligen Verbandsvertrages, sondern auf der Basis von Einzelverträgen erfolgt, die die BIG seit 2014 geschlossen hat“, erklärt eine Kassensprecherin.
Davon hält der BAV nichts: „Bedauerlicherweise lehnt es die BIG direkt ab, die Versorgung ihrer Versicherten mit Teststreifen sowie Krankenkost und Diätetika zur enteralen Ernährung künftig wieder durch kollektivvertragliche Regelungen im AVV Berlin sicherzustellen“, heißt es. Die Kasse bestehe für diese Produkte auf Einzelverträgen, deren Inhalt offenbar vorgegeben sei und denen Apotheken lediglich beitreten sollten.
Bei der BIG direkt ist man überzeugt, dass der Gesetzgeber Einzelverträge ausdrücklich präferiert. „Diesen Einzelverträgen kann jede Apotheke wie auch sonstige Leistungserbringer beitreten“, betont die Kassensprecherin. Aus Sicht der BIG direkt geht es also „um eine reine Änderung im Vertragsrecht“. Ähnliche Vertragsänderungen würden bereits seit Jahren auch von anderen Krankenkassen außerhalb Berlins umgesetzt.
Beim BAV will man sich hingegen weiterhin dafür einsetzen, „die Versorgung mit Teststreifen sowie Krankenkost und Diätetika durch Apotheken in Berlin im Rahmen eines Kollektivvertrages mit dem IKK-Landesverband Berlin zu regeln.“ Dazu befinde sich der Verband „auch weiterhin in einem zwar kontroversen, aber partnerschaftlichen Austausch mit der BIG direkt“.
Fraglich ist allerdings, was bis zu einem Vertragsabschluss gilt. Die BIG direkt rät Apotheken, die den Verträgen noch nicht beigetreten sind, sich an das Hilfsmittelteam und den Vertragsbereich der Kasse zu wenden. „Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Apotheken ist ganz in unserem Sinne“, so die Sprecherin.
Aus Sicht des BAV sind Apotheken auch ohne Beitritt zu einem Selektivvertrag weiterhin lieferberechtigt, da der AVV weiterhin gilt – auch für die BIG direkt und die IKK Nord. „Diesen Versorgungsauftrag werden die Apotheken auch erfüllen“, betont man beim Verband.
Allerdings herrsche mangels wirksamer Vereinbarungen Unklarheit über den abzurechnenden Preis. Preisverhandlungen finden derzeit noch nicht statt, da die Kasse auf den Einzelverträgen besteht. „Angesichts dessen gibt es aktuell keine Basis für konkrete Verhandlungen über eine Anpassung der einschlägigen Preisvereinbarungen im AVV Berlin“, so der Verband. Deshalb empfiehlt der BAV den Berliner Apotheken, „sicherheitshalber einen Kostenvoranschlag an die zuständige Krankenkasse zu richten“.
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