Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist im vergangenen Jahr ins Minus gerutscht. Unter dem Strich stand ein Defizit von 1,5 Milliarden Euro, wie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nach vorläufigen Zahlen mitteilte. Im Jahr 2018 war noch ein Überschuss von zwei Milliarden Euro verbucht worden.
Die Kassen haben damit mehr ausgegeben, als sie durch Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds eingenommen haben. Das war politisch gewollt, denn die Finanzreserven betrugen Ende 2019 rund 19,8 Milliarden Euro – was im Schnitt immer noch knapp einer Monatsausgabe und damit etwa dem Vierfachen der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve entspreche, erläuterte das Ministerium.
Minister Jens Spahn (CDU) sagte, die aktuellen Zahlen zeigten in die richtige Richtung. „Die Beitragszahler profitieren von niedrigeren Zusatzbeiträgen, weil Krankenkassen endlich ihre übermäßig hohen Finanzreserven abbauen. Und gleichzeitig kommen auch die notwendigen Leistungsverbesserungen bei den Versicherten an.“
Insgesamt stiegen die Ausgaben der Krankenkassen im Vergleich zum Vorjahr um 5,2 Prozent auf 251,9 Milliarden Euro, die Einnahmen bei niedrigeren Zusatzbeiträgen um 3,8 Prozent auf 250,4 Milliarden Euro. Die Leistungsausgaben stiegen um 5,6 Prozent, die Verwaltungskosten gingen hingegen um 1,9 Prozent zurück.
Die Ausgaben für Krankenhausbehandlung sindum 3,9 Prozent auf 80,9 Milliarden Euro und damit deutlich stärker gestiegen als in den beiden vorangegangenen Jahren. Die Krankenhäuser erhielten damit allein von den Krankenkassen circa 3 Milliarden Euro mehr als in 2018. Neben den Erhöhungen der Landesbasisfallwerte von gut 2,6 Prozent haben sich hier auch Verbesserungen aus dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz ausgewirkt.
Die Arzneimittelausgaben stiegen um 5,6 Prozent auf 43,4 Milliarden Euro. Die Entwicklungen im Bereich innovativer Arzneimittel spielen auch weiterhin eine zentrale Rolle. Die Krankenkassen wurden durch deutliche Zuwächse (+11,2 Prozent) bei Rabattvereinbarungen mit Herstellern entlastet. Hohe Zuwachsraten von 17,5 Prozent gab es bei den Ausgaben für Schutzimpfungen.
Im Bereich der vertragsärztlichen Vergütung stiegen die Ausgaben um rund 4,0 Prozent auf 45,6 Milliarden Euro. Deutliche Steigerungsraten gab es dabei bei Hochschulambulanzen (+9,5 Prozent) und spezialisierter ambulanter Palliativversorgung (+15,1 Prozent).
Deutlich überproportional haben sich die Ausgaben für Heilmittel (+15,1 Prozent, 9,1 Milliarden Euro) entwickelt. Hier gab es in allen Leistungsbereichen (Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Podologen) zweistellige Zuwachsraten. Bei Heilmitteln machen sich vor allem die vom Gesetzgeber schrittweise vorgegebenen Honorarsteigerungen bemerkbar, die zu einer wesentlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Heilmittelerbringer beitragen. Seit Mitte 2019 gibt es hier bundeseinheitliche Preise auf Basis der jeweils höchsten im Bundesgebiet zwischen Krankenkassen und Heilmittelerbringern vereinbarten Preise.
Die Ausgabenzuwächse für Krankengeld lagen mit einer in dieser Höhe unerwarteten Veränderungsrate von 10,1 Prozent auf 14,4 Milliarden Euro erstmals seit zehn Jahren wieder im zweistelligen Bereich.
Der Rückgang der Verwaltungskosten um 1,9 Prozent auf 11,2 Milliarden Euro ist weitgehend auf eine im Vergleich zum Vorjahr geringere Bildung von Alterungsrückstellungen sowie auf einen deutlichen Anstieg der von anderen Sozialversicherungsträgern erstatteten Verwaltungskosten zurückzuführen.
Im Jahr 2019 lag der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz bei 1,0 Prozent und damit um 0,1 Prozentpunkte niedriger als im Jahr 2018. Auch nach dem Jahreswechsel liegt der erhobene Zusatzbeitragssatz weiterhin stabil bei 1,0 Prozent, während das BMG den zur Deckung der laufenden Ausgaben erforderlichen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz auf 1,1 Prozent festgelegt hatte. Somit blieb für 95 Prozent der GKV-Mitglieder der bislang von ihrer Krankenkasse erhobene Zusatzbeitragssatz unverändert. Lediglich einige wenige Krankenkassen haben ihren Zusatzbeitragssatz angehoben oder gesenkt.
Eine differenzierte Betrachtung zeigt, dass alle Krankenkassenarten mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse im Jahr 2019 ein Defizit verzeichneten. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOKen) verbuchten ein leichtes Minus von rund 121 Millionen Euro, die Ersatzkassen ein Defizit von 859 Millionen Euro, die Betriebskrankenkassen (BKKen) ein Defizit von 295 Millionen Euro, die Innungskrankenkassen (IKKen) ein Defizit von 231 Millionen Euro und die knappschaftliche Krankenversicherung ein Defizit von 58 Millionen Euro.
Bei Ersatzkassen und IKKen ist das Defizit jeweils weitgehend auf eine große Krankenkasse mit hohen Finanzreserven zurückzuführen, die den Zusatzbeitrag für das Jahr 2019 abgesenkt hatte.
Die landwirtschaftliche Krankenversicherung verbuchte einen Überschuss von 49 Millionen Euro.
Der Gesundheitsfonds erzielte im Jahr 2019 einen Überschuss von rund 550 Millionen Euro. Damit verfügte der Fonds zum Stichtag 15. Januar über eine Liquiditätsreserve von rund 10,2 Milliarden Euro.
Über die günstige Entwicklung der Beitragseinnahmen konnte der Gesundheitsfonds auch im vergangenen Jahr von der positiven Lohn- und Beschäftigungsentwicklung profitieren. Die der Beitragsbemessung zugrundeliegenden beitragspflichtigen Einnahmen stiegen im Jahr 2019 um 4,2 Prozent. Die Zuwächse bei den Beitragseinnahmen fielen mit einem Anstieg von 3,8 Prozent geringer aus, da der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz im Vergleich zum Jahr 2018 niedriger war.
Die endgültigen Finanzergebnisse des Jahres 2019 sowie erste Quartalsdaten für das Jahr 2020 liegen Mitte Juni vor.
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