In Berlin wurde die „Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen“, kurz ARMIN, vorgestellt. Für die Umsetzung erhalten Ärzte und Apotheker eine gesonderte Vergütung. Die AOK Plus ist überzeugt, dass am Ende die Beratung und Betreuung verbessert wird. Die Politik kalkuliert auf lange Sicht mit Einsparungen.
Die Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbands, Monika Koch, erklärt die Gründe für die neue Pauschale von 20 Cent pro Zeile: „Wir müssen bis hin zur Abrechnung einen neuen Weg gehen: Der sechsstellige Code soll über die Rechenzentren an die AOK übermittelt werden.“
Für das Projekt müssen sich die teilnehmenden Ärzte und Apotheker besser vernetzen: Den technischen Aufwand bei der Umsetzung entschädigt die AOK Plus. „Wir müssen einen Zugang zum KV-SafeNet neu schaffen. Dazu brauchen alle Apotheken einen Router.“ Der Aufwand sei erheblich, sodass es monatliche Pauschalen für die Pflege der technischen Infrastruktur geben soll.
Die AOK Plus setzt als erste Kasse das sogenannte ABDA/KBV-Modell in der Praxis um. Auch wenn zusätzliche Honorare fließen, erhofft sie sich Einsparungen durch eine verbesserte Versorgung. „Natürlich: Wenn es um Vergütung geht, sind Verhandlungen immer hart. Aber wichtig war für uns, dass wir sowohl von Ärzten als auch von Apotheken Zusicherungen bekommen haben, die belastbar sind. Wir wollen sehen, dass unsere Versicherten sehr gut beraten und betreut werden“, sagt AOK-Chef Rainer Striebel. „Der zusätzlichen Vergütung steht ein klares Äquivalent entgegen, die in Form von fachlicher Betreuung und Beratung stattfindet.“
An den Rabattverträgen wird die Kasse trotz Wirkstoffverordnung auch künftig festhalten: „Die Ablösung von Rabattverträgen war für uns als AOK Plus überhaupt kein Thema“, so Striebel. „Es geht nur darum, dieses sinnvolle Steuerungsinstrument konsequent weiter zu entwickeln, um auch einen größeren Nutzen auch für unsere Versicherten darstellen zu können.“
Stefan Fink, Vorsitzender des Apothekerverbands in Thüringen, freut sich trotzdem über mehr Freiheiten bei der Abgabe, zumindest außerhalb der Rabattverträge: „Bei jedem Patienten, der bei ARMIN eingeschrieben ist und eine Wirkstoffverordnung vorlegt, kann der Apotheker bis zum Festbetrag gehen, in Einzelfällen sogar darüber hinaus. Das heißt, der Apotheker hat zum ersten Mal die Möglichkeit, eine freie Präparatewahl zu treffen, um die Therapiesicherheit und Treue beim Patienten zu gewährleisten.“
Dr. Annette Rommel, Chefin der KV Thüringen, sieht die Therapiefreiheit der Ärzte nicht eingeschränkt: „Positivlisten haben wir nicht mit unserem Medikationskatalog, sondern Entscheidungshilfen. Eine Beeinflussung von außen ist dadurch möglich.“ Auch der Apotheker habe lediglich die Möglichkeit, anhand seiner Vorgaben das entsprechende Medikament der entsprechenden Firma auszuwählen. „Aber er hat keinerlei Einfluss auf die Therapie.“
Trotzdem ist Fink überzeugt, dass die Apotheker auf Augenhöhe mit den Ärzten kommen: „Sonst wäre dieses Modell nie entstanden.“ In Thüringen gebe es bereits eine konstruktive Zusammenarbeit auf gleichem Niveau, zumindest in der Berufsvertretung. „Diese Augenhöhe können wir auch in die Kollegenschaft transportieren.“ In den neuen Bundesländern sei man seit Jahrzehnten gewöhnt, konstruktiv zusammenzuarbeiten. „Auch die jungen Kollegen freuen sich auf die Zusammenarbeit“, so Fink.
Schwierigkeiten hatten im Vorfeld die sächsischen Hausärzte gemacht. Ob diese Probleme gelöst wurden, kann Sachsens KV-Chef Dr. Klaus Heckemann noch nicht abschätzen: „Wir beginnen ja gerade erst, die Details zu kommunizieren. Aber das Problem sind nicht die Hausärzte an sich, sondern die Tatsache, dass der sächsische Hausarztverband es ablehnt.“
Die Begründung ist laut Heckemann schlicht: „Man will einen vergleichbaren Hausarztvertrag wie in Baden-Württemberg abschließen und dabei direkt mit den Krankenkassen verhandeln. Und dieser Vertrag finanziert sich ja hauptsächlich aus Einsparungen im Arzneimittelbereich, die auf genau dem gleichen Wege erreicht werden.“
Die Politik erwartet jetzt von Ärzten und Apothekern, dass sie das Modellprojekt umsetzen und so letztlich zu Einsparungen bei der Kasse beitragen: „Ich erwarte mir von ARMIN, dass wir für die Patienten mehr Sicherheit bekommen, dass die Arzneimittel, die sie zu sich nehmen, aufeinander abgestimmt sind“, sagt Thüringens Sozialministerin Heike Taubert (SPD). Es gebe heute noch zu viele Unverträglichkeiten.
Außerdem erwarte sie durch die bessere Einbeziehung der Apotheker auch eine bessere Beratung und schließlich eine Dämpfung des Anstiegs bei den Arzneimittelausgaben. „Ich denke, es sind viele kleine Ansätze notwendig, um im Gesundheitswesen gute Medizin künftig noch bezahlen zu können. Und ein Punkt ist immer, dass die Ausgaben langsamer ansteigen.“
ARMIN startet im April mit der Wirkstoffverordnung und einem Medikationskatalog für Ärzte. 2015 soll dann ein aufwändiges Medikationsmanagement für Patienten folgen. Das Modellprojekt wird zunächst fünf Jahre laufen.
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