Die deutschen Arbeitgeber lehnen nicht nur ein Verbot des Versandhandels ab, sondern fordern eine radikale Liberalisierung des Apothekenmarktes. Danach soll die Preisbindung für Arzneimittel ebenso fallen wie das Fremd- und Mehrbesitzverbot. Zur Sicherung der Arzneimittelversorgung auf dem Land könnten Ärzte Medikamente abgeben, schlägt der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) vor.
Der BDA hatte seine Stellungnahme zum Arzneimittelmarkt bereits im März zum Entwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zum Rx-Versandverbot gefertigt. Jetzt holte der BDA seine Positionierung aus der Schublade und hat sie mit Bezug auf die Anhörung im Gesundheitsausschuss in der kommenden Woche an dessen Mitglieder geschickt. Die BDA ist aber nicht zur Anhörung geladen. Dort stehen zwei Anträge zur Diskussion. Die Fraktion Die Linke hatte noch vor Gröhe einen eigenen Antrag für ein Rx-Versandverbot in den Bundestag eingebracht. Und die Grünen fordern eine grundlegende Reform des Apothekenhonorars.
Der Versandhandel von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sollte weiter zulässig bleiben, fordern die Arbeitgeber. Der Wettbewerb beim Arzneimittelvertrieb dürfe nicht noch weiter eingeschränkt werden, sondern sollte im Interesse der Versicherten und Beitragszahler intensiviert werden. Mit einem Verbot würden vor allem stark auf Arzneimittel angewiesene Patienten unmittelbar belastet, weil sie dann nicht mehr die Chance hätten, die von ihnen benötigten Arzneimittel so günstig wie bislang möglich zu beschaffen.
Zudem leiste der Versandhandel mit Arzneimitteln einen wichtigen und in Zeiten der Digitalisierung zunehmenden Beitrag zur flächendeckenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Zwar hält der BDA das Anliegen gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Apotheken für berechtigt, insbesondere dürfe es keine Inländerdiskriminierung der in Deutschland tätigen Apotheken geben. Dieses Ziel sollte jedoch „durch eine Aufgabe einheitlicher Apothekenabgabepreise erreicht werden“. Dadurch könnten Entlastungen der Patienten und auch der Beitragszahler insgesamt erreicht werden.
Statt der Einheitspreise sollten die Apotheken – wie heute schon bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln – die Preise selbst festlegen können, schreibt der BDA. Die Krankenkasse und ihre Verbände sollten zudem die Möglichkeit haben, mit den Apotheken oder ihren Verbänden über die Arzneimittelpreise selektivvertragliche Vereinbarungen zu schließen. Der BDA: „Auch das Mehr- und Fremdbesitzverbot für Apotheken ist im Interesse einer höheren Wettbewerbsintensität in der Arzneimittelversorgung vollständig aufzuheben.“
Behauptungen, dass der Wettbewerb mit dem Versandhandel zum Verschwinden der Präsenzapotheken führen werde, sind aus BDA-Sicht „unbegründet und unbelegt“. Richtig sei, dass die Zahl der Präsenzapotheken von 2010 bis 2015 von 21.441 auf 20.249 um 5,6 Prozent gesunken seien. „Der Nachweis für den im Referentenentwurf erwähnten kausalen Zusammenhang des Apothekenrückgangs mit dem Apothekenversandhandel fehlt jedoch“, kritisieren die Arbeitgeber.
Den Online-Handel von Arzneimitteln zu verbieten, hieße, die Chancen der Digitalisierung in einem wichtigen Bereich zu verpassen. Insbesondere in Regionen mit sinkender Bevölkerungszahl, in denen auch ein Rückgang der Ärztezahl zu verzeichnen sei, sinke die wirtschaftliche Attraktivität der Apotheken. Daher stelle der Versandhandel im ländlichen Raum für chronisch kranke, alte und mobil eingeschränkte Menschen einen einfachen Weg und eine zusätzliche Option in der Arzneimittelversorgung dar. Laut Statistischem Bundesamt (2016) bestelle bereits fast jeder Dritte in Deutschland Arzneimittel über das Internet.
Demgegenüber machten die Versandapotheken seit der Legalisierung des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Jahr 2004 in 2015 lediglich einen umsatzbezogenen Anteil von 3 Prozent am Gesamtmarkt aus. „Es ist daher irreführend, wenn von einer Existenzbedrohung der Präsenzapotheken gesprochen wird. Einen Kontext zwischen dem Apothekenrückgang und der Etablierung des Versandhandels gibt es nicht“, so der BDA.
Vielmehr sei für die sinkende Apothekenzahl die Konsolidierung des Apothekenmarktes verantwortlich. Die Entwicklung gehe mehr zu größeren Apotheken mit entsprechend höheren Umsätzen. So hätten die Präsenzapotheken ihren durchschnittlichen Umsatz innerhalb von nur zwei Jahren 2013 bis 2015 von 1,89 Millionen Euro auf 2,11 Millionen Euro um 11,6 Prozent steigern können.
Der BDA sieht zudem andere Möglichkeiten zur Sicherstellung einer flächendeckend ausreichenden Arzneimittelversorgung: „Ausschreibung von unterversorgten Regionen für die Arzneimittelversorgung, Abgabe von Arzneimitteln durch Ärzte“.
APOTHEKE ADHOC Debatte