Apothekerlobby

Apotheker verlieren EU-Generalsekretär Patrick Hollstein, 28.05.2015 08:27 Uhr

Berlin - 

„Victory.“ Per SMS erfuhren die deutschen Apotheker am Vormittag des 16. Dezember 2008, dass Yves Bot, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), das Fremdbesitzverbot für Apotheken soeben für zulässig erklärt hatte. Absender der Kurznachricht war John Chave, Generalsekretär des EU-Apothekerverbandes PGEU. Jetzt geht er von Bord.

Neun Jahre lang leitete Chave die Geschäftsstelle der PGEU in der Rue de Luxembourg in Brüssel. Der Brite war im Juni 2006 an Bord gekommen. Es war die Zeit, als sich der saarländische Gesundheits- und Justizminister Josef Hecken (CDU) über das bestehende Fremdbesitzverbot hinwegsetzte und der Kapitalgesellschaft DocMorris – mit Verweis auf vorrangiges EU-Recht – den Betrieb einer Apotheke erlaubte. Parallel nahmen die von verschiedener Seite angestoßenen EU-Verfahren Fahrt auf.

Mit Chave hatten die Apotheker in Brüssel einen Experten an Bord geholt, der versiert genug in europäischen Rechtsfragen war, um in der hitzigen Debatte kühlen Kopf zu bewahren. Chave hatte in Sheffield, Trent und Exeter Jura studiert und danach zunächst in einer Anwaltskanzlei in London gearbeitet. Er spezialisierte sich auf Gesundheits-, Handels- und EU-Recht und arbeitete sieben Jahre lang in Brüssel, bevor er zu den Apothekern kam.

Von Anfang an vertrat er die Position, dass keineswegs gewiss sei, dass der EuGH das Fremdbesitzverbot kippen würde. Persönlich dürften ihm dabei als britischem Staatsbürger die Vorbehalte gerade der deutschen Apotheker nicht immer eingeleuchtet haben.

Doch Chave stellte sich in den Sturm und meisterte gleichzeitig die Herausforderung, die eigenen Reihen geschlossen zu halten. Mitglieder der PGEU sind immerhin auch Apothekerorganisationen, die seit Jahren von Ketten dominiert werden. Bei jährlich wechselnder Präsidentschaft war Chave die Konstante in Brüssel.

Die Arbeit war nicht immer einfach. Anfeindungen gab es von Celesio; von der Kommission wurden die Apotheker regelrecht geschnitten. 2008 schaltete Chave schließlich entnervt den EU-Ombudsmann ein, der der Behörde eine Rüge erteilte. Parallel nutzten die Pharmahandelskonzerne den EU-Großhandelsverband GIRP, um ihre Argumente vorzutragen.

Nach dem Sieg vor dem EuGH kümmerte sich das PGEU-Team um zahlreiche EU-Gesetzgebungsverfahren, von Fragen der Berufsqualifikation, EU-Rezept oder dem EU-Versandapothekenregister bis hin zu Fälschungs-, Pharmakovigilanz- oder Tabakrichtlinie. Außerdem brachte sich Chave immer wieder in die Debatte um die Liberalisierung in den südeuropäischen Ländern ein.

Ab 1. Juli tritt Chave seinen neuen Posten als Generalsekretär des Branchenverbands Cosmetics Europe an. Mitglieder des EU-Dachverband sind 27 Industrieverbände aus den Mitgliedstaaten sowie 16 multinationale Konzerne. Cosmetics Europe repräsentiert nach eigenen Angaben mehr als 4000 Unternehmen der Branche.

Chaves Nachfolger bei der PGEU soll in der kommenden Woche vorgestellt werden. Auch andere Verbände in Brüssel warten mit Spannung auf den Neuen. Denn die PGEU stellt den Vorsitzenden der European Medicines Verification Organisation (EMVO), die erst im Februar gegründet worden war und die Umsetzung eines europaweiten Verifizierungssystem für Arzneimittel gewährleisten soll.

Der EU-Apothekerverband wurde am 29. Mai 1959 in Frankfurt gegründet. Zunächst ein Forum für den losen Erfahrungsaustausch, kamen mit der Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten und der Ausweitung der Zuständigkeiten der heutigen EU immer neue Aufgaben auf die Vertretung in Brüssel zu. In den 1980er Jahren half die PGEU beispielsweise, die Ausbildung und Qualifizierung pharmazeutischen Personals europaweit anzugleichen.

Mit den EU-Verfahren zum Fremd- und Mehrbesitzverbot sowie zu Niederlassungsbeschränkungen für Apotheken gewann die Interessenvertretung in Brüssel endgültig eine neue Bedeutung. Seit Ende der 1990er Jahre hatten sich immer wieder Apotheker beispielsweise aus Spanien oder Italien über die strengen Zulassungsregeln beschwert. 2004 monierte Celesio die Zugangsbeschränkungen in Italien; die Brüsseler Behörde leitete schließlich Vertragsverletzungsverfahren ein, das erst 2011 formal eingestellt wurden.

Heute gehören rund 400.000 Pharmazeuten aus 30 Ländern über ihre nationalen Standesorganisationen der PGEU an – Mitglied werden können ausschließlich Apothekerorganisationen. Ein halbes Dutzend Mitarbeiter vertreten die europäischen Pharmazeuten. Mehrfach im Jahr finden Treffen der Generalversammlung, der Arbeitsgruppen oder des Vorstands statt. Dessen Vorsitz wechselt jährlich. Präsident ist derzeit der Ire Darragh O'Loughlin.