Engelen: „Schluss mit der Rosinenpickerei“ APOTHEKE ADHOC, 01.09.2017 11:44 Uhr
Mit einer eigenen Flyer-Aktion macht die Apothekerkammer Nordrhein kurz vor der Bundestagswahl nochmals aufmerksam auf die Wettbewerbsnachteile der Vor-Ort-Apotheken aufgrund des EuGH-Rx-Boni-Urteils vom 19. Oktober. „Die Folge ist ein unfairer Wettbewerb für unsere Apotheken vor Ort“, so Lutz Engelen, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein. Die Apotheker in Nordrhein kämpften für ihre Patienten und den Erhalt der Apotheken vor Ort.
Patienten, Kunden und politische Entscheidungsträger sollen im Vorfeld der Bundestagswahl über den unfairen Wettbewerb zwischen den deutschen Apotheken vor Ort und ausländischen Versandapotheken informiert werden. Der Flyer weist darauf hin, dass es ausländischen Versandhändlern mit dem EuGH-Urteil erlaubt ist, auf die in Deutschland gesetzlich festgelegten und einheitlichen Preise von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln Rabatte zu geben. Deutschen Apotheken sei dies per Gesetz verboten. „Die konzerngesteuerten und rein profitorientierten ausländischen Versandhändler picken sich nur die attraktiven Rosinen aus dem deutschen Gesundheitssystem. An wichtigen und kostenintensiven Gemeinwohlaufgaben, wie beispielsweise dem Nacht- und Notdienst, in der Arzneimittelversorgung beteiligen sie sich nicht“, so Engelen.
Der Flyer trägt den Titel „Schluss mit der Rosinenpickerei“ und soll von den Apothekern Nordrheins bis zur Bundestagswahl am 24. September verteilt werden. Auf dem Flyer ist ein rosinenpickender Pleitegeier zu seien. Der Flyer beinhaltet einen Vergleich zwischen den rechtlich vorgeschriebenen Allgemeinwohlaufgaben und Qualitätsstandards deutscher Apotheken vor Ort und ausländischer Versandapotheken. Abgehoben wird auf die aktive und persönliche Beratung direkt bei der Abgabe der Arzneimittel, die „schnelle und wohnortnahe Versorgung im Not- und Akutfall“ sowie die qualifizierte Abgabe von Medikamenten, die nicht über den Versandhandel erfolgen darf, wie die „Pille danach“, Aufgaben und Qualitätsstandards, die deutsche Apotheken vor Ort erfüllen müssen, ausländische Versandapotheken jedoch nicht.
Auch die Leitung der Apotheke vor Ort durch einen freiberuflichen, persönlich haftenden und voll verantwortlichen Apotheker sei bei ausländischen Versandapotheken so nicht gegeben. Gleiches gelte für die Sicherheit der Patientendaten. „Dieser unfaire Wettbewerb kann das bereits begonnene Apothekensterben dramatisch beschleunigen. Die Leidtragenden sind alle Patienten. Insbesondere trifft es die Menschen, die auf „ihre“ Apotheke vor Ort angewiesen sind. So bei Notfällen, im Nacht- und Notdienst, Patienten mit einem hohen Arzneimittel- und Beratungsbedarf oder Menschen mit eingeschränkter Mobilität“, warnt Engelen.
Bereits in den Landtagswahlkampf in NRW im Frühjahr hatte sich die Apothekerkammer Nordrhein aktiv eingemischt. Engelen, warnte vor einem „preisgesteuerten Verdrängungskampf“ anstelle eines gesunden Qualitätswettbewerbs. Um die Botschaft zu unterstreichen, hatte die Kammer Nordrhein ein zweieinhalbminütiges Image-Video produziert, das die Vorteile der Vor-Ort-Apotheke herausstellt. Als politischen Botschafter konnte die Kammer den bundesweit bekannten CDU-Politiker Wolfgang Bosbach mitsamt seiner „Hausapothekerin“ Alice Bitz aus der Johanniter-Apotheke in Bergisch Gladbach gewinnen. Bosbach scheidet jetzt aus dem Bundestag aus, weil er auf eine erneute Kandidatur verzichtet.
Wolfgang Bosbach ist nicht nur als streitbarer konservativer CDU-Politiker aus vielen TV-Talkshows bekannt. Bosbach machte außerdem seine Krebserkrankung öffentlich und sprach darüber auch im Fernsehen. Im Video der Kammer äußert er sich nicht zum geplanten Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Dafür stellt er die Bedeutung der Apotheken in den Mittelpunkt: „Den Wert eines Systems erkennt man oft erst dann, wenn es dieses System nicht mehr gibt“, beginnt Bosbach sein Statement und schildert dann seine persönlichen Erfahrungen.
Er habe selbst erlebt wie wichtig es sei, dass Apotheken das persönliche Schicksal ihrer Patienten kennen. Er habe ein nicht rezeptpflichtiges Arzneimittel in seiner Stammapotheke kaufen wollen. „Die Apothekerin hat gleich gesagt: Herr Bosbach, nehmen Sie lieber ein anderes, wir wissen, welche Medikamente Sie leider regelmäßig nehmen müssen. Und wie hätte ich diesen Rat im Versandhandel bekommen können?“ Im Kern gehe es darum, wie man die Rolle der Apotheken sehe, so Bosbach weiter – als Supermarkt, wo man sich problemlos bedienen könne oder als „wichtiges System in der Gesundheitsversorgung in Deutschland, wo es eben nicht nur um das Verkaufen geht, sondern um das Beratungsgespräch und die Aufklärung.“