Die Apothekerkammer Niedersachsen hat den Betrieb des Arzneimittel-Terminals von DocMorris scharf kritisiert: „Das ist ein klarer Affront gegen bewährte und sichere Versorgungsstrukturen in Deutschland“, so Kammerpräsidentin Magdalene Linz. Die Kammer habe in dieser Sache eine klare Rechtsauffassung – sie würde die Aufstellung eines solchen Automaten nicht genehmigen und eine Video-Abgabestelle im Falle einer Eröffnung sofort wieder schließen, erklärte Linz.
DocMorris hatte am 19. April in der baden-württembergischen Gemeinde Hüffenhardt sein Abgabe-Terminal eröffnet. Zwar ließ das Regierungspräsidium den Automaten nach nur 48 Stunden wieder schließen, doch die Klage der Versandapotheke hat aufschiebende Wirkung bezüglich der OTC-Abgabe. Rezepte dürfen am Automaten dagegen weiterhin nicht abgegeben werden.
In Niedersachsen ist dagegen die Apothekerkammer selbst für die Überwachung der Apotheken zuständig. Aus ihrer Sicht verstößt die Zur Rose-Tochter mit dem Automaten gegen die Apothekenpflicht. „Aus Gründen der Patientensicherheit dürfen in Deutschland verschreibungspflichtige und viele nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nur unter strengen Auflagen in einer Apotheke gelagert und abgegeben werden. Die Abgabe über einen Automaten halten wir für rechtlich nicht zulässig“, erklärte Linz. Doch die niederländische Versandapotheke fühle sich offenbar nicht an geltendes Recht gebunden und inszeniere die Wiederbelebung der alten Idee von einer Video-Apotheke.
Linz warnt vor einer vermeintlichen Liberalisierung des Apothekenmarktes, wie sie die FDP am vergangenen Wochenende auf ihrem Bundesparteitag beschlossen hat. „Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass ein Rückzug des Staates aus dem Gesundheitswesen für den Patienten von Vorteil ist. Eine solche Reform, wie sie die FDP fordert, wird nach hinten losgehen.“ In ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017 heißt es: „Weitere Marktzugangshemmnisse wie das Fremdbesitzverbot müssen abgeschafft werden.“
Linz kontert: „Die Versorgungslage wird durch Apothekenketten nicht wirtschaftlicher, nicht effizienter und schon gar nicht besser für den Erkrankten.“ Die Kammerpräsidentin verweist auf die Erfahrungen in Schweden. Dort habe die Politik durch Aufhebung des Fremdbesitzverbots die Zahl der Apotheken erhöhen wollen, um so die Lage der Bevölkerung in schlecht versorgten Regionen zu verbessern. Stattdessen hätten die Konzerne neue Standorte vor allem in gut besiedelten städtischen Regionen eröffnet. In einigen strukturschwachen Regionen Schwedens gebe es dagegen inzwischen sogar ein Franchise-Modell mit staatlicher Förderung, damit diese Apotheken nicht auch noch geschlossen würden.
Linz verwies auf eine Studie an den Universitäten Uppsala und Kopenhagen, wonach Apothekenmitarbeiter in Schweden nach der Deregulierung aufgrund der Mehrbelastung unzufrieden sind und an der Patientensicherheit in ihren eigenen Apotheken zweifeln. Gemäß der Studie schnitten die staatlichen Apotheken bei der Bevölkerung besser ab als die Apothekenketten.
„Eines haben wir doch wohl aus der Finanzkrise in den USA und Europa gelernt: Je lascher die staatliche Bankenaufsicht in einem Land handelte, desto stärker war es von der Krise betroffen. Unregulierte Apotheken übernehmen keine unrentablen Gemeinwohlaufgaben und machen damit die gesamte Versorgungslage instabiler. Das kann nicht die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Deutschland sein“, mahnt die Kammerpräsidentin.
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