Apothekerkammer beklagt Engpässe dpa/APOTHEKE ADHOC, 14.09.2018 11:36 Uhr
Die Apotheker in Niedersachsen beklagen zunehmend Lieferengpässe bei Medikamenten wie zum Beispiel beim Schmerzmittel Ibuprofen, so die Präsidentin der Apothekerkammer, Magdalene Linz.
Der Engpass bestehe schon seit Juni und werde wohl noch bis Ende 2018 anhalten. Zwar gebe es alternative Schmerzmittel, diese seien aber zum Teil nicht entzündungshemmend oder für bestimmte Risikopatienten nicht so gut geeignet.
Allergiker haben nach Angaben von Linz darüber hinaus weiterhin Probleme, an Notfallmedikamente gegen Wespenstiche zu kommen. Auch die Adrenalin-Pens seien nach wie vor nicht immer verfügbar, sagte die Kammerpräsidentin.
Diese Probleme kennen viele Apotheken. „Bei manchen Präparaten versuchen wir sogar stündlich, sie zu bestellen“, sagte Bianca Uekermann von der Mohren-Apotheke in Celle. „Wenn ein Präparat lieferbar ist, bemühen wir uns auch einen Teil auf Lager zu legen.“ Größere Tabletten-Packungen würden geteilt, sollte nur eine kleinere Menge verschrieben worden sein. „Es ist ein Mehraufwand“, sagte die Apothekerin. Laut Mathias Grau, Inhaber der Rats-Apotheke in Horneburg im Landkreis Stade sind Impfstoffe gegen Tollwut ebenfalls kaum zu bekommen. „Es gab aber noch keine Situation, in der wir – in Rücksprache mit dem Arzt – dem Patienten nicht helfen konnten“, betonte er.
Nach Angaben des Verbandes Deutscher Krankenhausapotheker ADKA betreffen die Engpässe in zunehmendem Maße die Krankenhausapotheken. „Die Situation ist unbefriedigend und die Krankenhausapotheker vor Ort werden immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert, was die Ersatzbeschaffung und Substitution eingesetzter Arzneimittel betrifft“, sagte Almut Weygand, Leiterin der Zentralapotheke des St. Bernward Krankenhauses in Hildesheim und stellvertretende ADKA-Vorsitzende in Niedersachsen und Bremen.
Kammerpräsidentin Linz zufolge gab es in der Vergangenheit auch immer mal wieder Lieferschwierigkeiten, allerdings nicht in diesem Ausmaß. Viele Wirkstoffe werden nicht mehr in Deutschland oder Europa, sondern in Asien produziert. So führte Linz zufolge die Explosion eines Werks in China zu Engpässen bei speziellen Antibiotika, die in Krankenhäusern bei schweren Infektionen im Bauchraum eingesetzt werden.
„Der Hintergrund sind die Globalisierung und natürlich auch der Kostendruck“, meinte die Apothekerin aus Hannover. Die Rabattverträge der Krankenkassen setzen nach ihrer Einschätzung die Pharmafirmen unter Druck, die Kosten immer weiter zu senken.
Diesen Vorwurf weisen die Kassen zurück. „Es ist nicht zutreffend, dass Rabattverträge Kostendruck aufbauen, dem sich die Pharmahersteller unterordnen müssten. Die Pharmaindustrie ist lange vor den erst 2007 eingeführten Rabattverträgen an günstige Produktionsstätten abgewandert“, sagte der Sprecher der AOK Niedersachsen, Carsten Sievers. Hintergrund sei vielmehr, dass die Pharma-Unternehmen eine Just-in-Time-Produktion aufwendiger und teurer Lagerhaltung vorziehen.
Auch die Techniker Krankenkasse (TK) sieht keinen Zusammenhang zwischen Lieferengpässen und Rabattverträgen. Diese kämen bei der TK sehr selten vor. Rabattverträge seien im Gegenteil ein gutes Instrument, um Lieferausfälle zu vermeiden, sagte TK-Sprecher Dennis Chytrek.
Der Kostendruck der Pharmaunternehmen „geht – wie man am Fall Valsartan gesehen hat – dann gegebenenfalls auch zulasten der Qualität“, betonte Kammerchefin Linz. Nach Schätzung der Bundesregierung könnten im vergangenen Jahr etwa 900.000 Patienten das verunreinigte Mittel Valsartan eingenommen haben. Anfang Juli hatten Aufsichtsbehörden in Europa einen Vertriebsstopp und vorsorglichen Rückruf des Blutdrucksenkers angeordnet.