Hamburg

Apothekerkammer: Wut und Geldnot

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Berlin -

Der Präsident der Apothekerkammer Hamburg, Kai-Peter Siemsen, hat DocMorris scharf angegriffen. Als „chronischer Gesetzesbrecher“ habe die niederländische Versandapotheke den gesellschaftlichen Konsens der Gleichpreisigkeit von Arzneimittel aufgekündigt. DocMorris werde dafür als eine „Art Robin Hood“ gefeiert, während die Apotheken vor Ort den „Laden am Laufen halten“, kritisierte Siemsen auf der Kammerversammlung. Zugleich räumte er finanzielle Nöte im eigenen Haus ein.

12 Jahre lang hätten Versand- und Präsenzapotheken aufgrund der Gleichpreisigkeit „erträglich“ nebeneinander leben können, so Siemsen: „DocMorris, aus meiner Sicht ein chronischer Gesetzesbrecher, hat diese gesellschaftliche Allianz aufgekündigt.“ Die Nähe zu einigen deutschen Politikern „nicht nur zur Spargelzeit“ habe DocMorris darin ebenso bestärkt wie medienwirksame Auszeichnungen. Als Beispiel nannte Siemsen den Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft, überreicht durch den ehemaligen Deutschen Bundespräsidenten.

Siemsen warf den staatlichen Aufsichtsbehörden vor, „ängstlich und ohne Rückgrat bei der Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten bei Verstößen gegen die Preisverordnung“ vorzugehen. „Eine Aufsicht, die bei Verstößen gegen die nationale Gleichpreisigkeit nur ein schwaches ‚Das darfst Du nicht‘ hervorhaucht und kein Verbot mit Sofortvollzug anordnet, oder wie im Fall des Regierungspräsidiums für Hüffenhardt beim DocMorris-Automaten nur unzureichend das Recht durchsetzen will, sind für mich nur schwer zu ertragen“, sagte Siemsen. Wenn alle Macht vom Staate ausgehe, bedürfe es aber auch „wehrhafter Beamter mit Blei im Rücken“, gerade bei grundsätzlichen Entscheidungen.

Siemsen hat den Kampf für ein Rx-Versandverbot noch nicht aufgegeben: Alle Kammern und Verbände seien weiter unermüdlich dabei, das Ziel voranzutreiben, die Gleichpreisigkeit bei Rx-Arzneimitteln wieder herzustellen. „Jeden legalen anderen Weg, dieses Ziel zu erreichen, werden wir nutzen.“ Alle nationalen Systeme der staatlichen Daseinsvorsorge stünden vor dem Aus, wenn es der deutschen Politik nicht gelinge, „die neoliberale EU-Krake wieder in ihre Schranken zu verweisen“. Siemsen appellierte an die SPD, sich nach den „desaströsen Ergebnissen“ im Saarland, Schleswig-Holstein und NRW wieder um die Menschen in Deutschland zu kümmern und weniger um die ausländischen Groß- und Kapitalkonzerne.

Siemsen kündigte Umstrukturierungen in der Kammergeschäftsstelle an: Durch den Wechsel in der Geschäftsführung und in der Buchhaltung habe sich die Chance ergeben, die Organisationsstrukturen neu zu ordnen und den heutigen Anforderungen anzupassen. Der Vorstand habe Geschäftsführerin Ena Meyer-Bürck beauftragt, nun Stück für Stück eine veränderte Organisationsstruktur in der Geschäftsstelle aufzubauen. Das gelte auch für die Haushaltsführung der Kammer. So sollten zukünftig die Kosten für Hauptamt, Gremien sowie Ehrenamt getrennt dargestellt werden.

Eine zu intensiv betriebene Sparpolitik habe in der Vergangenheit für die Geschäftsstelle dazu geführt, dass eine zeitnahe Reaktion auf Entwicklungen nicht möglich gewesen sei und notwendige Lösungen von Problemen verhindert worden seien. Nun werde man eine Risikovorsorge aufbauen. Außerdem benötige die Kammer für einen „unerwartet an sie herangetragenen Rechtsstreit Finanzmittel“. Um welchen Rechtsstreit es sich dabei handelt, verriet Siemsen nicht.

Die Vermögenslage der Kammer werde nicht nur vom Vorstand und Geschäftsführung als bedenklich eingestuft. Man habe ein deutlich zu geringes freies Vermögen. „Hier muss in naher Zukunft freies Vermögen aufgebaut werden, um jederzeit die Kostensicherung für mindestens sechs Monate, mittelfristig für neun bis zehn Monate als Deckungssumme zur Verfügung zu haben“, so Siemsen. Auch der aktuelle Haushalt 2017 sei durch die sparsame Haushaltsplanung nicht nur mager ausgefallen, sondern „man kann ihn bei einer geplanten Unterdeckung von circa 55.000 Euro als magersüchtig bezeichnen“, so Siemsen. Der Vorstand habe hier dringenden Handlungsbedarf erkannt und werde in der nächsten ordentlichen Haushaltsplanung einen Vermögensaufbau einplanen, der das freie Vermögen auf eine minimale Höhe von 50 Prozent der Jahreskosten anwachsen lasse.

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