Die Impfbereitschaft steigt und Apotheken versuchen, händeringend Covid-19-Impfstoff zu erhalten. Denn auch wenn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gebetsmühlenartig ankündigt, dass sich jeder „noch heute“ impfen lassen könne, sieht es im Alltag anders aus. Eine Apothekerin aus Sachsen beklagt, dass ihre Bestellung teilweise zu 100 Prozent gekürzt wurde. Gleichzeitig sei sie beauftragt, den Impfstützpunkt ihres Landkreises zu beliefern.
Insgesamt geht es um 850 bestellte Vials des Biontech-Impfstoffes Comirnaty. Damit sollten wenigstens drei mobile Impfteams ausgestattet werden. Zudem wurde die Pharmazeutin vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) beauftragt, den Impfstützpunkt ihres Landkreises zu beliefern. Dort würden 510 Vials Comirnaty benötigt. Die Rückmeldung der Großhändler sei ernüchternd gewesen: „Insgesamt bekomme ich nur 176 Vials“, sagt sie. Deshalb verbrachte sie gestern den Tag damit, zu telefonieren, um wenigstens Spikevax von Moderna zu erhalten. „Diese zusätzliche Arbeit führt dazu, dass ich andere pharmazeutische Aufgaben nicht erfüllen kann.“
Die tatsächliche Lage vor Ort teilte sie in einem Brief an die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) und die Bürgerbeauftragte mit. Zahlreiche Apotheker:innen kritisierten zuletzt, dass die mediale Darstellung, es sei genug Impfstoff vorhanden, zu Konflikten in Apotheken und Praxen führe. Denn tatsächlich würden die meisten Bestellungen gekürzt – jedenfalls was Comirnaty angeht. Der Moderna-Impfstoff sei auch bei der sächsischen Apothekerin noch vorhanden und werde auch verimpft.
Die Apothekerin macht in ihre Schreiben deutlich: „Die Menge wird nicht reichen.“ Sie habe drei Großhändler beauftragt, um wenigstens die Höchstmenge von 170 Vials zu erhalten. „Ein Großhändler hat mich um 100 Prozent gekürzt. Da bekomme ich kein einziges Fläschchen, da nur die Hauptkunden beliefert werden. Ein weiterer Großhändler hat mich um 70 Prozent gekürzt und der dritte Großhändler hat mich um ein Viertel gekürzt.“
„Wie sollen bis Ende des Jahres 30 Millionen Menschen geimpft werden, wenn wir massive Kürzungen bei den Impfstoffbestellungen bekommen“, fragt sie in dem Brief. „Ich bin ehrlich, ich kann alle Ihre Versprechungen und Zusicherungen für das Bundesland Sachsen nicht mehr hören.“ Die Leute stünden mehrere Stunden vor den Impfzentren, um einen Termin zu ergattern. Patienten stürmten die Apotheken, um dort geimpft zu werden.
„Meine eigentliche Arbeit erledige ich nach zwölf Stunden Apothekenbetrieb, organisiere Impfstoff, telefoniere deswegen herum, alles muss dokumentiert werden.“ Zusätzlich müssten Schnelltests für Kunden, Firmen und Praxen besorgt werden. „Und eigentlich müsste ich für meine Patienten zur Versorgung mit Arzneimitteln da sein.“
Die Inhaberin fordert, dass sich „dringend“ etwas ändern müsste. „Die Kürzungen der Impfstoffe erschweren unsere Arbeit und die der Arztpraxen. Die Menschen sind enttäuscht, wenn sie keine Impfung zeitnah bekommen und zusätzlich die verschärften Regeln einhalten müssen.“ Dazu käme, dass die kleinen Mittelständler Umsätze verlieren. „Aber ein Hoch auf die ganzen Versandbuden, die nun die Bevölkerung versorgen und unser Geld im Ausland erhalten“, kritisiert sie. Diese großen Unternehmen steuerten aktuell nichts zur Versorgung bei. „Man braucht sich nicht wundern, wenn es viele Mitmenschen gibt, die keine Lust mehr haben, Einsatz zu zeigen und zu leisten.“
Nach massiver Kritik an den chaotischen Lieferungen der Corona-Impfstoffe hatte der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Ländern gestern neue Listen zur Verfügung gestellt. Nachjustiert werden demnach die Lieferungen des Impfstoffes von Biontech: In dieser Woche werden 2,9 Millionen Dosen zusätzlich an den Bund geliefert, sodass die Lieferungen an die Impfstellen in der Woche vom 13. Dezember dadurch auf fünf Millionen Dosen aufgestockt werden können. Die Praxen haben allerdings bereits bestellt und können nicht nachordern. In der kommenden Woche kommen wie geplant weitere 2,9 Millionen Dosen, die für KW 50 geplante Lieferung von 2,9 Millionen entfällt dann allerdings. Für KW 51 und KW 52 waren ohnehin keine Lieferungen eingeplant gewesen.
Nach Verhandlungen mit dem Hersteller Moderna kann eine Lieferung von zehn Millionen Dosen aus dem dritten Quartal 2022 auf Dezember vorgezogen werden, wie aus Informationen des BMG für die Bund-Länder-Beratungen am Donnerstag hervorgeht. Dies entspricht 20 Millionen Booster-Dosen, da bei Moderna dafür eine halbe Dosis gespritzt wird. Zudem sollen acht Millionen Moderna-Dosen zusätzlich im Dezember kommen – weil die Abgabe zugesagter Dosen an andere Länder über die internationale Initiative Covax langsamer läuft.
APOTHEKE ADHOC Debatte