„Unterirdische ‚sozialdemokratische‘ Wertschätzung“

Inhaberin: Niemand will mehr in die Apotheke

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Detmold -

Marleen Windgätter, Inhaberin der Teutoburg Apotheke im nordrhein-westfälischen Detmold, hat Mitte Juni insgesamt vier Bundestagsabgeordnete angeschrieben – je einen Vertreter der großen Parteien CDU, FDP, SPD und Grüne. Nur eine Antwort erhielt die Apothekerin: Die CDU-Politikerin Kerstin Vieregge besuchte sie nun in ihrer Apotheke, um sich vor Ort über die Probleme der Branche zu informieren. 

Zweimal hatte die Apothekerin mit Vieregge schriftlich kommuniziert, bevor es zum Treffen kam. Rund zweieinhalb Stunden nahm sich die Politikerin dann Zeit. Vieregge habe viel Verständnis für die Missstände in den Apotheken gezeigt, so Windgätter.

PTA sind kein billiger Ersatz

Besonders problematisch findet die Apothekerin Lauterbachs Pläne, öffentliche Apotheken ohne anwesenden Apotheker zu betreiben. „Auf Kosten der Patientensicherheit erklärt das Bundesgesundheitsministerium PTA zum billigen Ersatz – und das für ein ausdrücklich genanntes und als angemessen deklariertes Bruttogehalt von 2900 Euro bei 40 Wochenstunden. Das entspricht einem Stundenlohn von umgerechnet 16,73 Euro“, rechnet die Apothekerin vor.

Mehr Verantwortung also, aber nicht mehr Gehalt – „das ist absurd“, findet Windgätter. In keinem anderen Beruf wäre so etwas akzeptabel. Die Tarifverhandlungen sind zwar gerade abgeschlossen, aber die Apothekerin bezweifelt, dass dies der richtige Zeitpunkt ist.

Eine Schülerpraktikantin sagte ihr nach Bekanntwerden des Referentenentwurfs, dass sie die Ausbildung zur PTA vorerst nicht antreten wolle. „Es ist ein schöner Beruf, aber bei der Bezahlung ist es kein Wunder, dass der Nachwuchs fehlt“, meint sie. Auch bei den Apothekern fehle der Nachwuchs. Ein Abiturient, der bei ihr ein Praktikum absolviert hatte, entschied sich aufgrund der unsicheren Situation für ein Studium der Wirtschaftsinformatik statt Pharmazie. „Das kann ich verstehen. Ich weiß heute auch nicht, ob es den Apothekerberuf in zehn Jahren noch gibt“, sagt die Apothekerin.

Die „unterirdische ‚sozialdemokratische‘ Wertschätzung“ der Apothekenteams spiegele sich auch in der Vergütung für das Management von Lieferengpässen wider. Ein gelöster Lieferengpass werde mit gerade einmal 50 Cent vergütet.

Retter der Landapotheken?

Lauterbach präsentiert sich gerne als Retter der Landapotheken. Mit seiner Umverteilung will er vor allem kleine Apotheken in ländlichen Regionen mit geringer Kundenfrequenz unterstützen. Dazu soll der variable Teil der Vergütung von 3 auf 2 Prozent gesenkt und mit den frei werdenden Mitteln das Fixum erhöht werden. „Für uns wäre das ein deutliches Minus. Ich kenne keinen einzigen Kollegen, der davon profitieren würde“, sagt die Apothekerin. Eine Kürzung um 1 Prozentpunkt sei ein enormer Verlust, da jede Apotheke auch hochpreisige Medikamente abgebe, die vorfinanziert werden müssten. Die 3 Prozent seien nötig, um Aufwand und Risiko auszugleichen.

„Das ist ein reines Sparmodell – es stellt alles auf den Kopf, obwohl das System eigentlich funktioniert, aber unterfinanziert ist“, so das Urteil der Inhaberin. Im Moment wird es auf dem Rücken der engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgetragen.

Betriebswirtschaftlich gebe es überhaupt keine Grundlage mehr, eine Apotheke zu übernehmen. „Ich liebe Landapotheken, aber betriebswirtschaftlich wäre eine Übernahme für mich nicht mehr kalkulierbar“, erklärt sie. Auch für die Verhandlungen mit den Kassen ab 2027 sieht sie schwarz: „Ich glaube nicht, dass es in den Verhandlungen mit den Kassen nach oben geht. Eher nach unten.“ Aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen und der Unsicherheit sei der Markt für Apothekenübernahmen derzeit zum Erliegen gekommen.

Reine Sparmaßnahmen

„Zu Risiken und Nebenwirkungen… fragen Sie Herrn Lauterbach! Denn in Ihrer Apotheke ist es bald nicht mehr möglich“, schreibt die CDU-Politikerin auf Facebook. Die Reform des Bundesgesundheitsministers gefährde die Existenz der Apotheken und die Versorgung der Menschen, warnt sie. Der Gesundheitsminister wolle Kosten sparen – auf dem Rücken der Menschen vor Ort. „Doch die Patienten brauchen das volle Leistungsspektrum, Beratung und Versorgungssicherheit in erreichbarer Nähe.“

Vieregge will nach ihrem Besuch versuchen, auf Landesebene mobil zu machen. Das Problem: Das Gesetz ist – zumindest nach derzeitigem Stand – nicht zustimmungspflichtig. „Ich glaube, es gibt starke Stimmen aus den Ländern, vielen scheint das wirklich wichtig zu sein“, sagt Windgätter. Sie befürchtet, dass durch die Reform der Apothekenmarkt zerschlagen wird und nur noch Ketten übrig bleiben. „Es ist Wahnsinn, dass das nicht zustimmungspflichtig ist.“

Die Apothekerin hat neben der CDU-Politikerin auch Jürgen Berghahn (SPD), Christian Sauter (FDP) und Robin Wagener (Grüne) angeschrieben, aber keine Antwort erhalten. „Es ist nicht sehr wertschätzend, wenn ich als Steuerzahler Politiker anschreibe und keine Antwort bekomme. Das finde ich sehr schwierig“, so Windgätter.

Immerhin habe sie den Vertreter der Grünen kürzlich auf einer Regionalkonferenz von Apothekerverband und -kammer Westfalen-Lippe getroffen. Dort habe er sich 30 Minuten Zeit für die Apothekerin genommen. Auch er habe Verständnis gezeigt, aber betont, dass gesundheitspolitische Themen nicht sein Schwerpunkt seien.

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