Seit 20 Jahren hat eine Freiburger Apothekerin für die onkologische Praxis im Ärztehaus Zytostatika geliefert. Jetzt ist Schluss damit: „Die neue Hilfstaxe hat mir das Genick gebrochen.“ Die Apotheke wurde inzwischen geschlossen. Ende Mai muss sie leer geräumt sein. Nur die Zytoherstellung hatte die Apotheke noch am Leben erhalten. Die Apothekerin ist mit ihrem Schicksal nicht allein: Auch eine Apotheke in Chemnitz und die Hofmark-Apotheke in Winhöring haben ihre Sterillabore ebenfalls wegen der neuen Hilfstaxe abgegeben.
„Ich kann die Zytoherstellung so unterbezahlt nicht mehr anbieten“, begründet Apothekerin Angela Huber ihren Schritt. Seit 16 Jahren hat sie in der Hofmark-Apotheke Zytostatika für Ärzte in der Region Altötting hergestellt. Anders als bei ihrer Freiburger Kollegin hängt die Existenz der Apotheke davon nicht ab. „Unsere Arbeit ist etwas wert“, so Huber, „ich sehe es nicht ein, das für ein Butterbrot zu machen.“ Das Sterillabor sei mit solch hohen laufenden Kosten verbunden, die durch das Honorar nicht mehr gedeckt werden könnten.
Nicht gut zu sprechen ist Huber auf den Deutschen Apothekerverband (DAV): „Dem sind die wenigen verbliebenen Zyto-Apotheken Wurst. Es ist unverständlich, dass der DAV nichts unternimmt.“
Am 22. Januar hatte die Schiedsstelle unter Leitung von Dr. Rainer Hess die Honorare für Zyto-Apotheken erheblich gekürzt – um bis zu 200 Millionen Euro. Seitdem stöhnen die Zyto-Apotheken über die neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Der Abrechnungspreis für den Wirkstoff ist demnach bei nicht patentgeschützten Wirkstoffen im Grundsatz der zweitgünstigste Apothekeneinkaufspreis – abzüglich eines Abschlags von 50 Prozent. Zuvor waren es 30 Prozent.
Für elf generische Wirkstoffe legte der Schiedsspruch Abschläge zwischen 59,4 Prozent (Vinorelbin) und 83,7 Prozent (Epirubicin und Doxorubicin) auf den zweitgünstigsten Apothekeneinkaufspreis fest. Zudem gibt es nun Abschläge für bestimmte patentgeschützte Wirkstoffe und Fertigarzneimittel ohne Konkurrenz sowie für bestimmte Biosimilars, Bioidenticals und deren Referenzarzneimittel. Grundsätzlich beträgt der Abschlag von 1,6 Prozent auf den günstigsten Apothekeneinkaufspreis.
„Die Hilfstaxe macht den Mittelstand kaputt“, kritisiert Michael Kretzer den Schiedsspruch. Kretzer ist Geschäftsführer des Spezialgroßhändlers Max Pharma, der die drei Apotheken beliefert – und er ist Mitglied der CSU. Dort engagiert er sich in der Mittelstandsunion. Jetzt hat er einen Brandbrief an Hans Michelbach, stellvertretender Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der CDU/CSU, geschrieben: Als mittelständisches Unternehmen arbeite Max Pharma mit dem Mittelstand in der Gesundheitswirtschaft zusammen. Inklusive Herstellerrabatt habe die neue Hilfstaxe in der Spitze zu 90 Prozent Preisabschlag geführt. „Dass dies unverhältnismäßig ist, liegt auf der Hand.“
Während Apotheken die Segel strichen, werde die Versorgung „überwiegend von Hedge-Fonds-finanzierten Herstellungsbetriebe übernommen“, so Kretzer weiter. Der Mittelstand in Deutschland werde durch die „Merkel-Regierung“ weiter dezimiert. „Die flächendeckende Gesundheitsversorgung beginnt zu bröckeln. Drei Unternehmen teilten mir mit, dass sie die Produktion von Gemcitabin wegen der Hilfstaxe aufgeben wollen. Damit beginnt die Versorgung generell für deutsche Krebspatienten schwieriger zu werden.“
Aufgabe einer demokratischen Grundordnung sei es, einen Ausgleich der Interessen zu schaffen. Einseitige Parteinahme der Politik führe zu Strukturveränderungen, die nicht mehr reparabel seien: „Das Wort Mittelstand wird überall gern geschwungen, ohne dass wirkliche Taten folgen. Die Großen werden größer und die Kleinen geben auf. An dieser Stelle will ich deutlich zum Ausdruck bringen, dass ich meinen Wiedereintritt in die CSU auch als Eintritt für die Sache verstanden haben will!“
Lange hat die Freiburger Apothekerin um ihre Apotheke gekämpft. Vor Jahren verließ die Dialysepraxis das Ärztehaus. Damit kam sie noch zurecht. Die Zytoherstellung sicherte die Existenz der Apotheke. Laufkundschaft gibt es hier am Rand der Freiburger Innenstadt so gut wie nicht. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der onkologischen Praxis war die wirtschaftliche Grundlage. „Mit der Umstellung der Hilfstaxe geht das nicht mehr“, so die 78-jährige Apothekerin, deren Tochter bereits seit einiger Zeit die Apotheke geführt hatte.
Bis Ende Mai läuft der Mietvertrag, dann muss alles ausgeräumt sein – das Sterillabor und die komplette Einrichtung. Der Vermieter verlangt das so: „Das kostet mich nochmals eine Stange Geld.“ Eigentlich sollte die Apotheke ihre Altersvorsorge absichern. Jetzt ist sie auf ihre Ersparnisse angewiesen: „Ich darf eigentlich nicht mehr lange leben, weil das Ersparte nicht reicht.“
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