Die ersten beiden Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind schon in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen – und viele sollen noch folgen. Das Verfahren zur Listung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist noch Neuland, hat aber ein erprobtes Vorbild: die frühe Nutzenbewertung bei Arzneimitteln. Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung hat deshalb nun eine Expertin auf dem Gebiet geholt: Apothekerin Dr. Anne-Sophie Geier ist neue Geschäftsführerin.
Über ihre Dissertation entdeckte sie nach eigenen Angaben ihre Begeisterung für Digital Health: Geier ist anhand eines pseudonymisierten Datensatzes von 70.000 Patienten der Frage nachgegangen, ob die Einnahme bestimmter Antidiabetika die Wahrscheinlichkeit erhöht, an Krebs zu erkranken. Konkret untersuchte sie dabei, inwiefern die Einnahme von Metformin das Tumorwachstum verlangsamen oder Insulin glargin es begünstigen kann. Dafür verknüpfte sie unter anderem Daten aus einem Disease-Management-Programm mit denen einer Krebsdatenbank. „Ich habe dabei gesehen, was für unglaubliche Erkenntnisse man gewinnen kann, wenn man Daten strukturiert auswertet“, sagt sie heute im Rückblick. Der Schritt zu wesentlichen Arbeitsweisen in der Digital-Health-Branche ist dabei offensichtlich. Doch Geier nahm vorerst eine andere Abbiegung.
„Nach der Dissertation habe ich bei Bayer etwas Industrieluft geschnuppert, bevor ich zum GKV-Spitzenverband gegangen bin“, erzählt sie. Ein Aha-Erlebnis bescherte ihr die im Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) eingeführte Möglichkeit der Erstattung von DiGA durch die Krankenkassen. Denn um in den Kreis der Apps auf Rezept aufgenommen zu werden, müssen die erst einmal ihren Nutzen belegen – und hier kommt Geiers Expertise ins Spiel. „Ich habe die frühe Nutzenbewertung bei den DiGA gesehen und war sofort interessiert. Ich dachte mir, es wäre sehr spannend, mein Wissen auch in diesem Bereich anzuwenden“, sagt sie. Denn die Parallelen sind offensichtlich – die Unterschiede allerdings auch.
Wie Pharmafirmen müssen DiGA-Anbieter belegen, dass ihre Anwendungen einen medizinischen Nutzen haben. Oder aber – und das ist der erste Unterschied – sie müssen eine patientenrelevante Struktur- oder Verfahrensverbesserung in der Versorgung nachweisen. Hinzu kommt, dass das DiGA-Verfahren anders als die frühe Nutzenbewertung von Arzneimitteln noch in den Kinderschuhen steckt – es gibt also noch viele Einwirkungsmöglichkeiten. „Das Verfahren wird über die Jahre wachsen, das ist ein iterativer Prozess“, sagt sie.
Viele Einwirkungsmöglichkeiten gibt es allerdings auch noch bei der Ärzteschaft. „Es geht jetzt darum, die Leistungserbringer zu informieren, dass es diese Angebote gibt“, so Geier. Vor allem beim Thema Datenschutz und Evidenz sei noch einige Aufklärungsarbeit zu leisten. Derzeit arbeite der Verband deshalb unter anderem daran, gemeinsam mit dem Hartmannbund und dem Bündnis Junger Ärzte eine DiGA-Fortbildungsreihe auf die Beine zu stellen. Und das ist nur ein erster Schritt. Neben dem Aufbau der Berliner Geschäftsstelle und den Unterstützungsleistungen für die Verbandsmitglieder schielt Geier bereits auf das Fachgebiet, aus dem sie eigentlich kommt: die Pharmazie.
„Eine ähnliche Fortbildungsreihe wie die für die Ärzte kann ich mir prinzipiell auch für Apotheker vorstellen“, sagt sie. Denn denen könnte nach Geiers Vorstellung anders als bisher künftig eine zentrale Rolle beim Thema eHealth zukommen: „Apotheken sind nicht nur zentrale Berater bei Arzneimitteln, sondern auch bei Medizinprodukten – und als solche sind DiGA klassifiziert. Für mich ist der Apotheker der erste Ansprechpartner vor Ort, wenn es um Gesundheitsfragen geht, und das wird auch so bleiben.“ Umgekehrt sei es auch für die Apotheken ein zukunftsträchtiges Feld, auf dem sie sich positionieren können.
Künftig erwarte sie darüber hinaus Digital-Health-Anwendungen, die mehr als bisher die Arbeitswelt der Vor-Ort-Apotheken betreffen – Apps für digitale Hausapotheken beispielsweise, über die Pharmazeuten AMTS-Beratung ihrer Kunden unkompliziert durchführen können. Die Vorbehalte in der Branche sind ihr natürlich bekannt – auch hier müsse sich der Verband künftig stärker positionieren. „Wir wollen informieren und die Apotheken sind für uns – neben den Ärzten – ein zentraler Dialogpartner. Es ist ganz wichtig, dabei zuzuhören und herauszufinden, woher diese Vorbehalte kommen – und das meine ich nicht als politische Phrase.“
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