Nach Äußerungen bei VISION.A

Apothekerin an Müller (BMG): „Woher nehmen Sie diesen Hass?“

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Berlin -

Apothekerin Marietheres Reher-Gremme aus der Bären-Apotheke im nordrhein-westfälischen Dülmen ist schockiert über Thomas Müller, Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Seinen Äußerungen, wie zuletzt bei der VISION.A Zukunftskonferenz, entnimmt sie Ignoranz, Arroganz, Beratungsresistenz, Realitäts- und Gesprächsverweigerung. Grund genug, sich deshalb noch einmal an ihn sowie die Bundestagsabgeordneten Matthias Mieves und Dirk Heidenblut (beide SPD) zu wenden: „Wie können Sie es wagen?“

Entsprechende Eigenschaften habe sich Müller offenbar von seinem Chef, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), abgeschaut: „Den eigenen Berufsstand mit Netflix-Vergleichen, romantischer Verklärung, Idealismus und Unbeweglichkeit zu umreißen, ist eine Frechheit! Woher nehmen Sie diesen Hass auf die Apothekerschaft?“, fragt Reher-Gremme.

Anzunehmen, Apotheken seien nicht fortschrittlich, sei falsch: „Wir reagieren blitzschnell auf alle Marktveränderungen, managen täglich Tausende von Lieferengpässen, haben unter Corona Desinfektionsmittel hergestellt, Masken verteilt und Impfzertifikate erstellt, im Winter 22/23 Fiebersäfte angefertigt, um die politisch verursachten Engpässe aufzufangen. Lange vor den Arztpraxen waren wir bereit fürs E-Rezept. Digitale Abholfächer, Konferenzen, Online-Bestellungen gehören schon lange zu unserem Alltag“, umreißt die Apothekerin die Lage.

Sich per Netflix-Vergleich darüber lustig zu machen, dass in den Apotheken die Patient:innen mit ihren Bedürfnissen im Vordergrund stehen, sei mehr als unangebracht. „Das lässt sich nicht politisch wegrationalisieren oder digitalisieren.“ Er solle dabei auch bedenken, welche Partei das BMG lenke. Dass Apotheken ihre soziale Aufgabe „freiwillig, gut und unentgeltlich ausführen, müssten Sie als Luxus anerkennen und schätzen“, so Reher-Gremme.

Mehr Geld im System statt pDL

Pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) seien ein Flop, stimmt sie Müller zu. „Wir haben einfach keine Zeit und Ressourcen dafür, da der normale Apothekenalltag mit all seinen bürokratischen Herausforderungen uns keine Freiräume mehr für andere Dinge lässt“. Die Dokumentation rundherum gehe „an der Realität komplett vorbei“, schreibt die Apothekerin. „Obendrein ist die Honorierung angesichts des Arbeitsaufwandes eine Zumutung.“ Und trotzdem strengen sich viele Apotheke auch hier an – zum Wohle der Patient:innen.

Die statt der notwendigen Honorarerhöhungen geplanten Einsparungen bedeuteten den „Ruin der Apotheken vor Ort“, mahnt Reher-Gremme. „Mit Ihrer Politik bewirken Sie einen deutlichen Sozialabbau, denn die Gesundheitsvorsorge der Bevölkerung steht auf dem Spiel. Das exponentielle Apothekensterben wird sich weiter fortsetzen, die Lieferengpässe nehmen täglich zu. […] Erkennen Sie endlich die Notwendigkeit, Geld in die Hand zu nehmen, um die Misere zu beenden“, fordert die Apothekerin vom BMG-Abteilungsleiter.

Antwort nach 5 Minuten

Innerhalb von fünf Minuten habe Reher-Gremme schon eine Antwort aus dem BMG bekommen. Sie vermutet, dass sie nicht die einzige mit Feedback für den Abteilungsleiter war. „Die VISION.A-Diskussion haben Sie missverstanden: Ich kritisiere die Abda, die bisher außer der Honorarforderung keine Vorschlage gemacht hat, wie auf den Rückgang der Apothekenzahlen reagiert werden kann“, stellt Müller klar. Die Honorarforderung sei nicht realistisch.

„Mein Statement, dass Apotheker nicht Sozialarbeiter, sondern Pharmazeuten sind, bezog sich auf den Vortrag von Herrn Professor Maio. Apotheken werden für die pharmazeutische Leistung vergütet. Apothekerin und Apotheker in der öffentlichen Apotheke ist ein sehr notwendiger, wichtiger (und schöner) Beruf im Gesundheitswesen, die Reformvorschläge sollen die Apothekenstandorte stärken“, so Müller in seiner Mail weiter. Für Vorschläge sei das BMG jederzeit offen, schreibt er.

„Keine Degradierung des Apothekerberufs“

Reher-Gremme hat bereits vielfach Politiker angeschrieben, um vor dem geplanten Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) zu warnen. Von dem für ihren Wahlkreis zuständigen SPD-Abgeordneten Jürgen Coße bekam sie hierzu bereits im August Antwort: Er verstehe ihre Sorgen und nehme ihre Bedenken „sehr ernst“. „Für uns in der SPD-Bundestagsfraktion ist die Stärkung der Apotheken vor Ort ein zentrales politisches Anliegen.“

Daher habe man in der aktuellen Legislaturperiode „bereits verschiedene Maßnahmen beschlossen“ und auch zuvor an positiven Veränderungen mitgewirkt. „Besonders hervorheben möchte ich die Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen, die nach meiner Überzeugung ein großes Potential haben, um die Versorgung durch Apotheken nachhaltig zu verbessern“, schrieb Coße der Apothekerin.

Nun sei man am „konstruktiven Dialog“ interessiert. „Wir schätzen die Arbeit der Apothekerinnen und Apotheker sehr und wollen keinesfalls eine Degradierung des Apothekerberufs. Dazu gehört auch, dass die Arbeit, die in Laboren in den Apotheken vor Ort gemacht wird, weiter wertgeschätzt und gesichert wird. Einen Kostendruck zu Gunsten von ‚Apotheken ohne Apotheker‘ darf es nicht geben“, so Coße.

Der endgültige Gesetzentwurf stehe zudem noch aus. „Sie können sich darauf verlassen, dass wir uns als SPD-Bundestagsfraktion im parlamentarischen Verfahren für die Apotheke vor Ort einsetzen werden und großes Verständnis für die Sorgen, Bedenken und Herausforderungen der Apothekerschaft haben.“

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