Apotheker werden immer pessimistischer APOTHEKE ADHOC, 24.09.2019 13:28 Uhr
Apothekeninhaber blicken weiter pessimistisch in die Zukunft. Acht von zehn gehen davon aus, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Branche in zwei bis drei Jahren negativ sein wird. Das geht aus dem aktuellen Apothekenklima-Index hervor, den die ABDA heute in Düsseldorf vorgestellt hat. Vor drei Jahren war es nur jeder zweite Chef. An die Politik richtete die ABDA die Forderung, das Apothekenstärkungsgesetz rasch zu verabschieden: „Wir haben keine Zeit mehr zuzuwarten“, sagte ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold.
Mit seinem Votum für ein Rx-Versandverbot habe der Bundesrat eine alte Forderung der ABDA aufgegriffen, sagte Arnold. Ziel sei auch dabei die Sicherung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch Vor Ort Apotheken. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe sich mit seinem Rx-Boni-Verbot allerdings für einen alternativen Weg entschieden, dieses Ziel zu erreichen. „Am allerwichtigsten ist jetzt, dass es zu keiner Blockade der Verfassungsorgane kommt und wir das Ziel möglichst schnell erreichen“, so Arnold. Seit drei Jahren warteten die Apotheker auf eine politische Antwort auf das EuGH-Urteil vom Oktober 2016. Weil das Apothekenstärkungsgesetz nicht zustimmungspflichtig sei, könne der Bundesrat die Gesetzgebung „letztendlich“ aber nicht aufhalten. Der ABDA-Vize geht davon aus, dass das Thema Rx-Versandverbot beim Deutschen Apothekertag (DAT) einen „wichtigen Raum“ einnehmen wird.
Eines der größten Ärgernisse im Alltag sind für 91 Prozent der im Auftrag der ABDA befragten 500 Inhaber Lieferengpässe. Vor drei Jahren wurde das Thema nur von 36 Prozent als negativ bewertet. Aktuell gaben knapp zwei Drittel (63 Prozent) an, dass sie und ihre Mitarbeiter mehr als 10 Prozent ihrer Arbeitszeit aufwenden, um bei Engpässen nach Lösungen zu suchen.
Ein drängendes Thema des Berufsstandes ist laut ABDA die Schaffung von mehr Planungssicherheit durch stabile rechtliche Rahmenbedingungen. 90 Prozent der Inhaber konstatierten hier prioritären Handlungsbedarf. „Die Stimmung in den Apotheken wird immer schlechter“, sagte ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold. „Wenn vier von fünf Apothekeninhabern für die nächsten Jahre ‚schwarz sehen‘, erodiert das Fundament für eine hochwertige und wohnortnahe Arzneimittelversorgung der Menschen in Deutschland.“
Angestiegen ist allerdings im dritten Jahr hintereinander die Zahl der in den Apotheken Beschäftigten auf 159.141 Mitarbeiter, davon 52.048 Apotheker und knapp 67.000 PTA. Mehr als die Hälfte der Apotheker planen zudem in den nächsten drei Jahren weitere Einstellungen und 88 Prozent wollen keine Mitarbeiter entlassen. Die große Mehrheit von über 80 Prozent planen auch keine Umschichtungen von Vollzeit zu Teilzeitarbeitsplätzen. Auch blieb die Zahl der Auszubildenden PTA und PKA weitgehend konstant bei zusammen 7300. Zwar bleibt der Apothekerberuf weiterhin eine Mangelberuf: Im Durchschnitt bleiben Stellen 143 Tage unbesetzt. Zugleich stieg 2018 aber die Zahl der Pharmaziestudenten auf 15.894 an, der Höchstwert der letzten Jahre.
Auch wenn die Apotheker insgesamt pessimistisch auf die Lage der Branche schauen, schätzen viele ihre eigene wirtschaftliche Situation etwas besser ein: Knapp jeder zweite fürchte für seine Apotheke eine etwas oder deutlich schlechtere Lage. Für die Gesamtbranche erwarten dies knapp 80 Prozent. Dementsprechend zurückhaltend gehen die Apotheker mit Investitionen um. Nur der Bereich EDV verzeichnete einen Anstieg der Investitionsbereitschaft im Jahresvergleich. Dies hat vermutlich mit der Digitalsierung zu tun.
Nach wie vor ist der persönliche Kontakt zum Kunden und die persönliche Beratung die Hauptmotivation für den Apothekerberuf. 83 Prozent der 500 Befragten sehen darin ihre Berufung. An zweiter Stelle folgt die Freiberuflichkeit mit 70 Prozent. Stark angestiegen ist die Zustimmung zur Antwort „Beitrag zur Gesundheitsvorsorge“ in den letzten Jahren von 15 Prozent auf jetzt 33 Prozent.
Hauptstressfaktor in den Apotheken bleibt die Bürokratie. Darüber klagen jetzt 92 Prozent. Erst danach folgen die Lieferengpässe. Mehr und mehr für Ärger sorgen auch die Nachwuchs- und Personalprobleme bei 66 Prozent der Apotheker. Vor drei Jahren lag diese Quote erst bei 35 Prozent. Auch die Umsetzung von Rabattverträgen sorgt zunehmend für Verdruss: 59 Prozent der Apotheker sehen darin ein Ärgernis, vor drei Jahren waren das noch 44 Prozent.
Arnold verwies außerdem auf die zusätzlichen Belastungen der Apotheken durch die sich zuspitzenden Arzneimittel-Engpässe: „Die im Apothekenklima-Index erfragten Bewertungen zum Zeitaufwand bei Lieferengpässen lassen sich jetzt auch mit Verordnungszahlen des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts empirisch untermauern.“ Demnach hat sich die Anzahl der Rabattarzneimittel, die aufgrund eines Lieferengpasses ausgetauscht werden mussten, bei gesetzlich krankenversicherten Patienten von 5 Millionen Packungen im Jahr 2016 auf 9,3 Millionen Stück im Jahr 2018 fast verdoppelt. Betroffen ist jedes 50. Rabattarzneimittel (9,3 von 450 Millionen Packungen im Jahr 2018).
Im Jahr 2018 haben die Top-10-Wirkstoffe mit 4,7 Millionen Arzneimitteln fast die Hälfte der 9,3 Millionen Lieferengpässe ausgemacht. Hochdosiertes, rezeptpflichtiges Ibuprofen (Schmerzmittel) belegt mit 1,6 Millionen Packungen den ersten Platz auf der Liste. Mit fünf Wirkstoffen unter den Top 10 sind die Blutdrucksenker Valsartan, Ramipril und Bisoprolol sowie deren Kombinationen mit Diuretika (harntreibende Mittel) ebenfalls weit oben.