Preis: Kassen zocken Apotheken ab APOTHEKE ADHOC, 07.01.2016 14:49 Uhr
Der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), Thomas Preis, kritisierte die Retaxationspraxis der Krankenkassen. Die wirtschaftliche Situation der Apotheken werde durch die kontinuierliche Gefahr von Nullretaxationen „extrem belastet“, so Preis beim Neujahrsempfang des Apothekervereins Köln. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Georg Kippels (CDU), Nachfolger von Jens Spahn im Bundesgesundheitsschuss, hob in seinem Grußwort die wichtige Rolle der Apotheken im Gesundheitswesen hervor.
Preis wandte sich insbesondere an Krankenkassen, die durch gezielte Nullretaxationen ihre Finanzlage verbessern wollen: „Dies lehnen wir in aller Deutlichkeit und mit größter Vehemenz ab.“ Apotheker müssten sich als Heilberufler und Unternehmer darauf verlassen können, dass Rezepte, die korrekt beliefert würden, auch korrekt bezahlt würden.
Immerhin: Preis wies darauf hin, dass einige Kassen in Bezug auf Nullretaxationen Vernunft walten ließen. Ihnen sei die schnelle, möglichst unbürokratische und pharmazeutisch korrekte Versorgung der Patienten wichtiger als eine kleinliche Ausnutzung von minimalen Formfehlern der Rezepte und das Abkassieren bei Apothekern. „Wir appellieren daher an alle andere Kassen auch Vernunft walten zu lassen und diesen partnerschaftlichen und ausgewogenen Umgang mit dem Vertragspartner Apotheke als Richtschnur für ihr eigenes Handeln zu nehmen“, so Preis.
Sollten diese Appelle nicht fruchten und das Ergebnis des aktuell laufenden Schiedsstellenverfahrens den Apotheken weiterhin große finanzielle Abgaberisiken bescheren, ist aus Sicht von Preis wiederum die Politik gefordert. Sie müsse im Interesse einer reibungslosen Patientenversorgung Schaden von den Apotheken abwenden.
Mit Blick auf das Apothekenhonorar erklärte Preis, nicht locker lassen zu wollen – auch wenn das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) das Thema erst einmal weit von sich weg zu schieben versuche. Man werde nicht müde werden, eine berechtigte Honoraranpassung einzufordern, bei gleichzeitiger Fixierung einer leistungsgerechten Berechnungsmethode und der Verpflichtung zur mindestens jährlichen Überprüfung des Apothekenhonorars. „Eine regelmäßige Anpassung des Apothekenhonorars oder zumindest jährliche Überprüfung ist mehr als legitim“, findet Preis. Was bei anderen Leistungserbringern übliches Prozedere sei, müsse bei Apothekern auch zur Regel werden.
Nach der „Minimalsterhöhung“ beim Apothekenhonorar von 25 Cent pro Packung sieht Preis nun Anpassungsbedarf bei der BtM-Gebühr und dem Honorar für die Rezepturherstellung. Diese sei „mehr als überfällig“, so der Verbandschef.
Kippels lobte in seinem Grußwort den den pharmazeutischen Sachverstand der Apotheker im persönlichen Patientenkontakt und machte deutlich, dass patientenorientierte Verantwortungssteigerungen im Leistungsangebot auch eines finanziellen Ausgleichs bedürften. Zudem verwies Kippels auf die hohe Wertschätzung, die Apotheker in der Bevölkerung genössen. „Sie befinden sich in der gesellschaftspolitischen Wertschätzung an oberster Stelle“, sagte Kippels.
Mit Blick auf diverse Umfragen betonte er, dass öffentliche Apotheken im Gesundheitswesen unverzichtbar seien. Für 72 Prozent der Bevölkerung führe der erste Weg direkt zum Apotheker. Dies zeige das Vertrauen in die Kompetenz der Apotheker. Die lokale Erreichbarkeit sei dabei für die Menschen besonders wichtig.
Da die Beratung zu Arzneimitteln individuellen Bedürfnissen der Patienten gerecht werden müsse, sieht Kippels in Internetapotheken keine Alternative zur Apotheke vor Ort. „Dies könnte kein Callcenter leisten“, betonte er. Kippels wertete die Beratung in der Apotheke daher auch als „wesentlich für die erfolgreiche Fortschreibung der medizinischen Versorgung“.
Insgesamt habe sich die Apothekerschaft den neuen Herausforderungen sehr gut gestellt. Kippels verwies dabei auf das Engagement beim Modellprojekt ARMIN in Sachsen und Thüringen. Hier gäbe es auf Ärzteseite Erfolge und erste Anzeichen, dass diese Initiative dazu beitrage, dass Vertrauen in die Wirksamkeit der Arzneimitteltherapie zu stärken.