Freiberuflichkeit

Schmidt: „Interessenvertretung muss Maß halten“

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Werder -

Die Freiberuflichkeit ist ein zweischneidiges Schwert: Sie bringt den Apothekern nicht nur Rechte, sondern auch zahlreiche Pflichten. Trotzdem ist sie einer der Grundpfeiler des deutschen Apothekenwesens und muss als solcher erhalten bleiben. Das forderte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt beim Apothekerforum des Apothekerverbands Brandenburg (AVB) in Werder.

Die Freiberuflichkeit bringt laut Schmidt eine gewisse Ambivalenz mit sich: Apotheker handelten einerseits im Auftrag und im Interesse des Staates – sie seien aber auch die Interessenvertreter der einzelnen Patienten, erklärt Schmidt. Drei Dinge würden den Apothekern abverlangt: die Interessen des Staates gegenüber den Patienten durchzusetzen, also etwa verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht ohne Rezept abzugeben, die Patienten vor anderen Interessen schützen und schließlich dies alles in fachlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu gewährleisten.

„In unserem System leisten wir Freiberufler diese anspruchsvolle Aufgabe des Interessenausgleichs“, so Schmidt. Man vermittle, erkläre, berate, beruhige und unterstütze. „All das verstehen wir als unsere Aufgabe, die wir mir der Approbation und der Betriebserlaubnis übernommen haben und jeden Tag aufs Neue eingehen.“

Schmidt erklärte, dass die Apotheker zu dieser freiberuflichen Verantwortung stünden, betonte aber auch: „Selbstbeschränkung darf nicht zu Selbstaufgabe führen.“ Der Staat beauftrage die Apotheker zwar, was er aber nicht abgeben könne, sei die Schaffung „ordentlicher Rahmenbedingungen“. „Die freiberufliche Tätigkeit ist kein Job und kein Praktikum, sondern eine Lebensaufgabe“, betonte Schmidt.

In ordnungspolitischer Hinsicht sieht der ABDA-Präsident wenig Grund zur Klage, insgesamt gebe es eine übereinstimmende Position zur Unterstützung der Freiberuflichkeit. „Es geht aber immer auch um Ökonomie“, so Schmidt. Und in dieser Hinsicht werde das Vertrauen in die Vertragspartner auf die Probe gestellt. Damit gerate aber das Modell der Freiberuflichkeit in Gefahr, warnte Schmidt.

Gleichzeitig sollte man sich aber auch die Alternativen vor Augen führen: ein staatlich gelenktes oder frei marktwirtschaftliches System. „Deshalb gilt es, in der Interessenvertretung Maß zu halten“, so Schmidt in Richtung „all jener, die Maßnahmen einfordern, die zum Erhalt des Systems nicht dienlich sind“. Es gehe darum, auf die Interessen der verschiedenen Partner einzugehen.

Denn an dem System selbst will Schmidt nichts ändern: „Die Freiberuflichkeit ist ein gutes Modell.“ Man habe diese Werte erkämpft, nun gehe es darum, sie zu bewahren. Das allerdings sei eine große Herausforderung. „Freiberuflichkeit ist nichts, das von selbst überlebt.“

Olaf Behrendt, zweiter stellvertretender Vorsitzender des AVB, wandte ein, dass Apotheker selbst zur „Gefahr für die Freiberuflichkeit“ werden könnten – indem sie immer mehr Regelungen einforderten. Als Beispiel nannte er Qualitätsmanagementsysteme (QMS), die Einzug in die Apotheken gehalten hätten, obwohl sie eigentlich aus der Industrie kämen, wo Pharmakanten statt Apotheker arbeiteten. Auch die Präqualifizierung hält Behrendt angesichts der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) für unnötig.

Schmidt kann den Wunsch nach klaren Regeln gut nachvollziehen – schließlich seien Apotheker Naturwissenschaftler und damit eindeutige Antworten gewohnt. Aber: „Ich glaube, das wird der Berufspraxis nur zum Teil gerecht.“ Denn dort arbeiteten Apotheker mit Menschen. Und die seien eben „keine Versuchsanordnung”, sondern bräuchten individuelle Lösungen. „Das ist unsere Stärke und Schwäche zugleich.“

Allerdings sieht auch Schmidt die Gefahr immer ausdifferenzierterer Vertragslösungen. Wenn man weiter so voranschreite, würden die Entscheidungsspielräume immer kleiner. „Wo bleibt dann die Legitimation für das, was wir können – für unsere Urteilskraft?“ Die dürfe man sich nicht nehmen lassen. Daher sei eine zentrale Forderung, die Spielräume wieder zu vergrößern. „Sonst wird es immer schwerer zu begründen, warum wir Freiberufler sind.“

Allerdings habe sich die Gesellschaft immer stärker verrechtlicht, so Schmidt. Menschen akzeptierten kein Schicksal mehr, sondern nähmen ihre Rechte wahr und forderten Haftung ein. Deshalb werde mehr in Prozessen gearbeitet, mehr dokumentiert und mehr rückversichert.

„Ich glaube nicht, dass sich das wesentlich ändert“, so Schmidt weiter. Der Trend werde sich verstärken und die Apotheker einschränken. Früher habe es ausgereicht zu sagen, man sei Apotheker, und das habe genügt. „Das ist nicht mehr so und wir kriegen diese Zeit auch nicht zurück. Wir müssen lernen, mit diesen neuen Verhältnissen umzugehen.“

Im Medikationsmanagement sieht Schmidt die Chance für die Apotheker. Denn der Mensch sei nicht standardisierbar – und damit das Medikationsmanagement nicht automatisierbar. Schmidt warnte aber auch: Wenn man nicht in diese Richtung komme, mehr intellektuelle Dienstleistungen zu erbringen, sehe es nicht gut aus für den Freiberuf.

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