Hilfstaxe

Apotheker sollen Kassen schreiben Nadine Tröbitscher, 21.03.2018 13:35 Uhr

Berlin - 

Der Schiedsspruch zur Hilfstaxe 3 stellt Apotheker vor große wirtschaftliche Herausforderungen. Nicht zuletzt weil die vom GKV-Spitzenverband und DAV verhandelten Abschläge rückwirkend ab November 2017 gewährt werden sollen. Der VZA zeigte auf seiner Jahrestagung am 16. und 17. März Probleme und Lösungen auf.

Nach dem Schiedsspruch aus dem Januar wurden die schon angelaufenen Open-House-Verträge aufgehoben. Einzig der Vertrag der AOK Rheinland/Hamburg, der für 95 Kassen mit elf Vertragspartnern geschlossen wurde, verliert seine Gültigkeit erst am 30. September. Das neue „Rabattkonzept“ für Zytostatika sieht eine Vielzahl von Möglichkeiten für die Kassen vor, um das Maximale an Rabatten herauszuholen. Dazu zählen an die pharmazeutische Industrie gerichtet das Aushandeln eines Erstattungspreises, Herstellerrabatte, der Abschlag nach Hilfstaxe sowie die Rabatte nach §130a Abs. 8a Sozialgesetzbuch (SGB V). Der Schiedsspruch regelt Teil 2 und 6 der Hilfstaxe im Bereich der Onkologie neu. „Der Schiedsspruch hat das Zeug dazu, die Herstellung von Zytostatika zum Verlustgeschäft zu machen. Es geht jetzt um wirtschaftliche Schadensbegrenzung“, so VZA-Präsident Dr. Klaus Peterseim.

Apotheker müssen für Originalpräparate, die im Anhang 2 gelistet sind, Abschläge von 0,05 bis 7,5 Prozent gewähren. Für nicht gesondert gelistete Originale fällt ein 1,6 prozentiger Abschlag an. Ein Problem: Mit Infliximab ist ein Wirkstoff gelistet, der in der Onkologie keine Anwendung findet – somit gelten die Abschläge nicht. Es wären also zwei Hilfstaxen nötig, um den Indikationen gerecht zu werden.

Die Fehlanwendung trifft auch für Eculizumab in Soliris zu. In diesem Fall hat die ABDATA falsch einen Abschlag gemeldet, obwohl das Arzneimittel keine onkologische Indikation hat. Ob man die ABDATA in Regress ziehen kann, sei unklar. Dem nicht genug soll der Abschlag rückwirkend gewährt werden müssen. Der Zeitpunkt sei ein Kompromiss aus dem vom GKV geforderten 1. September 2017 und dem Inkrafttreten des Schiedsspruches zum Januar 2018.

Für Dr. Ulrich Grau ist dies ohnehin unzulässig, denn es handele sich um eine echte Rückwirkung, da abgeschlossene Sachverhalte betroffen sind. Der Kauf der Substanzen fand zum Teil bereits im Oktober statt, als die Preise nicht bekannt waren. Die Schiedsstelle hingegen spricht von einer unechten Rückwirkung, also von noch nicht abgeschlossenen Prüfverfahren.

Laut Dr. Constanze Püschel gebe es im Schiedsspruch keine Regelung, was für die Apotheken zu tun ist, wenn sie die festgesetzten Abschläge nicht – erst recht nicht rückwirkend – erzielen können. Apotheken müssten bei den Herstellern um nachträgliche Rabatte fragen. Püschel spricht von einer „Regelungslücke“. Es könne nicht sein, dass man Geld mitbringen müsse, um versorgen zu können. Was also ist zu tun? Laut Püschel sollten Apotheker den Kassen im Falle der Nichterreichbarkeit der Abschläge unverzüglich schreiben und den tatsächlichen Einkaufspreis der Substanzen nachweisen. Apotheker unterliegen dem Kontrahierungszwang und sollten Rechtsschutz bei den Sozialgerichten suchen – mit dem Ziel, mindestens den tatsächlichen Einkaufspreis abrechnen zu können, so die Juristin. Man muss „den Kassen zeigen, was der tatsächliche Preis ist“.

Doch es gibt weitere Probleme. So gelten die in der Hilfstaxe festgelegten Abschläge auch, wenn Rabattverträge nach § 130a Abs. 8a SGB V geschlossen wurden, das bedeutet beide Rabattmodelle laufen nebeneinander. Auch die Importpreise sind eine Herausforderung, denn was ein preisgünstiges Importarzneimittel ist, ist im Schiedsspruch nicht definiert. Für Püschel ist eine „Gesamtbetrachtung erforderlich“. Ist der Import ohne Abschlag günstiger als das Original samt Abschlag, kann es als „preisgünstiger“ eingesetzt werden.

Auch die Kündigungsklausel ist ein Problem. Apotheker selbst können nicht kündigen. Einzig der DAV kann mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende ordentlich kündigen. Aber selbst dann verliert die Hilfstaxe ihre Gültigkeit erst mit einer neuen Vereinbarung. Was bleibt, ist eine außerordentliche Kündigung für einzelne Wirkstoffe mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende – vorausgesetzt es liegen geeignete schriftliche Belege vor und der ausgewiesene Durchschnittspreis wird um mehr als 10 Prozent überschritten.

„Will man die Versorgung durch die Apotheken vor Ort, dann müssen Teil 2 und 6 der Hilfstaxe neu verhandelt werden“, mahnt Püschel. „Der Arbeitspreis muss erhöht und die Abschläge auf die tatsächliche Marktlage gebracht werden. Die Apotheke muss mindestens zum tatsächlichen Einkaufspreis anrechnen dürfen“, so Püschel. Die Marktlage der Apotheke decke sich nicht mit der Wunschliste der Kassen.

Der DAV hat schon im Februar Anfechtungsklage vor dem LSG Berlin/Brandenburg erhoben, mit dem Ziel den Schiedsspruch aufzuheben. Außerdem wurde ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Der VZA setzt sich gerade wegen der strukturellen Mängel der neuen Hilfstaxe in der Onkologie zudem massiv für eine Kündigung der Teile 2 und 6 ein. Die Folge ist Neuverhandlung.