Der ARZ-Deal Alexander Müller, 16.09.2015 09:58 Uhr
Der Rosenkrieg um das ARZ Haan scheint befriedet. Die Anteilseigner des Rechenzentrums haben sich auf die grundlegenden Konditionen für den Ausstieg des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL) verständigt, auch wenn noch kein Vollzug vermeldet werden kann. Spannend wird noch, wie sich die zukünftigen Machtverhältnisse im ARZ zwischen dem Apothekerverband Nordrhein (AVNR) und der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank) gestalten werden.
Eigentlich sollte heute vor dem Landgericht Wuppertal über den Wert des Aktienpakets gestritten werden, das der AVWL abgeben möchte. Den Stimmrechtsvertrag hatte der Verband bereits mit Wirkung zum 31. Dezember 2013 gekündigt. Seitdem wird über den Kaufpreis gestritten, die Sache ging vor Gericht. Doch jetzt wurde der Verhandlungstermin langfristig verlegt, das Verfahren wird demnächst wohl ganz eingestellt. Angeblich fehlen nur noch Details für die technische Abwicklung.
Nach langen Verhandlungen haben sich die Beteiligten auf einen Verkaufspreis für die Aktien geeinigt. Der Wert wird noch nicht verraten, dürfte sich aber nach dem Verlauf der Verhandlungen um einen Betrag von 33 Euro pro Anteilsschein bewegen. Da die beiden Apothekerverbände und die Apobank je ein Drittel der Stammaktien halten, hätte das Paket des AVWL einen Wert von rund 15 Millionen Euro, vielleicht etwas mehr.
Aber der Verkaufspreis ist nur eine Frage – und nicht die wichtigste für die Zukunft der Gesellschaft. Denn danach werden die Karten beim Rechenzentrum neu gemischt. Der AVNR ist über die Tochter Norwima beteiligt und muss in der neuen Konstellation eine Mehrheit behalten, also einen größeren Anteil als die Apobank. Schließlich können die Apotheker „ihr“ Rechenzentrum nicht mehrheitlich in fremde Hände geben; die Apobank wiederum darf nur Finanzinvestor sein.
Undurchsichtig ist die Rolle der Apobank trotzdem. Im Vorstand soll es unterschiedliche Positionen zum ARZ Haan gegeben haben – strategisches Investment versus unpassendes Geschäftsmodell. Am Ende ging sogar eine Vorlage an den Aufsichtsrat. Dessen Vorsitzender ist Hermann S. Keller, der ehemalige Chef des Deutschen Apothekerverbands (DAV).
Die komplizierte Gemengelage hat ihren Teil dazu beigetragen, dass sich die Verhandlungen zum Verkauf hinzogen. Immer wieder wurden Beratungs- und Klärungsbedarf angemeldet, Gutachten in Auftrag gegeben, Gläubiger oder Mitglieder als vermeintliches Hindernis vorgeschoben. Die Apobank hat jedenfalls einen aktiven Part in dem Stück übernommen.
Zu aktiv für den Geschmack des AVWL. Irgendwann zerbrach die Mehrheit der beiden Apothekerverbände im Aufsichtsrat. Bei strategischen Entscheidungen stimmte Nordrhein mit der Bank gegen Westfalen-Lippe. Die Neuausrichtung mit Zukäufen aus anderen Abrechnungsbereichen widerstrebte dem AVWL.
Die dann folgende Eskalation mit dem Austritt des Verbands als Schlussakkord müssen sich auch die handelnden Personen zuschreiben. Selbst für Außenstehende war unverkennbar, dass es auch um Persönliches ging, viele Emotionen im Spiel waren.
Als sich die Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat zugunsten des AVNR verschoben hatten, konnte der AVWL beim ARZ nichts mehr ausrichten. In einem Gutachten wurden die Stammaktien zunächst mit 28,59 Euro bewertet. Später wurde dem AVWL eine Abfindung von maximal 29,50 Euro je Aktie vorgeschlagen, insgesamt 13,4 Millionen Euro. Der Verband soll aber 36 Euro je Anteilsschein gefordert haben. Ein Antrag zur neuen Wertermittlung wurde jedoch bei der Hauptversammlung vor einem Jahr von den beiden anderen Hauptaktionären abgelehnt.
Jetzt ging es nur noch darum, einen für alle Beteiligten gangbaren Weg zu finden. Solche Formulierungen lassen erahnen, wie es um das Innenverhältnis in der Gesellschaft zuletzt bestellt war. An dem Rechtstreit haben vor allem die Anwälte verdient, das vermutlich demnächst eingestellte Gerichtsverfahren verursacht ebenfalls Kosten.
Am 28. September – am Montag vor Beginn des Deutschen Apothekertags (DAT) – sollen die AVWL-Mitglieder bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung final über den ARZ-Ausstieg abstimmen. „Ich denke, wir kriegen die Kuh bis dahin vom Eis“, sagt Geschäftsführer Dr. Sebastian Schwintek. Die Mitglieder sollen vor dem Treffen über weitere Details informiert werden.
Eigentlich wollte man schon im Rahmen der Hauseinweihung über den ARZ-Deal abstimmen lassen. Aber seitens der Mitglieder gab es Kritik an der kurzfristig anberaumten Versammlung. Im schlimmsten Fall wäre der Beschluss nachträglich angefochten worden. Der AVWL wollte kein Risiko eingehen und vertagte zähneknirschend.
Die Zeit drängt daher umso mehr, will der Wechsel der Anteile noch in diesem Jahr vollzogen sein. Ansonsten könnte die Hängepartie dem AVWL noch auf andere Weise schaden: Ein Verkauf wäre dann erst wieder zu Ende 2016 zu realisieren. Heißt im Umkehrschluss: Der AVWL wartet weiter auf sein Geld. Zwar hat der Verband schon eine Abschlagszahlung erhalten, der größte Teil steht aber noch aus.
Geld, das der Verband gut gebrauchen könnte, um den Kredit für den Hausbau abzulösen. Die neue Geschäftsstelle wurde unlängst bezogen. Die Gesamtkosten des Projektes beliefen sich auf rund 6,4 Millionen Euro. Da der Neubau zum Großteil aus Eigenmitteln finanziert wurde, dürfte sich der finanzielle Schaden aus den Zinszahlungen in Grenzen halten – unnötig ist es allemal.
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