Hilfstaxe

Apotheker planen verzweifelte Protestaktionen

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Berlin -

Die Zyto-Apotheker sind vom Schiedsspruch zur Hilfstaxe schockiert. Gestöhnt wird bei Kürzungen immer, doch so mancher Kollege sieht nun überhaupt keine Zukunft mehr für sein Geschäftsmodell. Während etliche Zyto-Apotheker den Druck auf ihre Verbände erhöhen, planen andere teilweise spektakuläre Protestaktionen.

Laut dem Schiedsspruch müssen die Apotheker den Krankenkassen unter anderem deutlich höhere Rabatte für generische Wirkstoffe gewähren. Auf die Listenpreise von Doxorubicin und Epirubicin etwa wird ein Abschlag von 83,7 Prozent fällig. Auch bei anderen Wirkstoffen und -gruppen wurden Rabatte beschlossen, die einige Zyto-Apotheker „existenzbedrohend“ nennen. Solche Aussagen sind schwer einzuordnen, weil die Generikahersteller in der Vergangenheit oft doch noch reagieren konnten. Andererseits ist aktenkundig, dass die Schiedsstelle fast vollständig die Forderungen des GKV-Spitzenverbands umgesetzt hat.

Zwei Dinge empfinden die Apotheker als besonders ungerecht: Die neue Hilfstaxe soll rückwirkend zum 1. November greifen, die Kassen könnten so noch Rabatte für fast drei Monate geltend machen. Der zweite besonders kritische Punkt ist die vorgesehene pauschale Rabattierung patentgeschützter Originalpräparate in Höhe von 1,6 Prozent. Denn bei einigen dieser oft sehr hochpreisigen Präparate bekommen die Apotheker vom Hersteller überhaupt keinen Rabatt – warum auch, wenn es zu der Verordnung keine Alternative gibt.

Jetzt formieren sich die Betroffenen: Beim Deutschen Apothekerverband (DAV) sowie den Landesapothekerverbänden sollen inzwischen etliche Protestschreiben empörter Zyto-Apotheker eingegangen sein. In der Musterversion eines sechsseitigen Schreibens wird der DAV aufgefordert, gegen den Schiedsspruch zu klagen, weil unter anderem die Rückwirkung nichts rechtmäßig sei, sondern eine willkürliche Belastung der Apotheker. Schließlich könnten diese von den Herstellern auch rückwirkend keine Rabatte mehr einfordern. Aus ihrer Sicht hätte die alte Hilfstaxe fortgelten müsste, bis eine neue vereinbart sei. Selbst einzelne Kassen lehnten die Rückwirkung ab, ohne dass dies aber verbindlich erklärt worden wäre, heißt es in dem Schreiben.

Apotheker könnten auch nicht vertraglich gezwungen werden, Arzneimittel unter Einkaufspreis abzugeben, heißt es in dem Schreiben. Das sei schon mit dem Wettbewerbsrecht nicht zu vereinbaren. Der Urheber des in Umlauf gebrachten Protestbriefes ist nicht bekannt, der Verband Zytostatika herstellender Apothekerinnen und Apotheker (VZA) ist es nach eigener Auskunft nicht.

Der DAV hat bereits mitgeteilt, den Schiedsspruch nicht mit zu tragen. Denn die Vorsitzenden der Schiedsstelle haben nach eigenem Bekunden auf Grundlage der von den Krankenkassen zur Verfügung gestellten Zahlen entschieden. Die vom DAV vorgelegten Zahlen waren aus Sicht der Vorsitzenden unbrauchbar.

Die logische Konsequenz wäre die Klage gegen den Schiedsspruch – und Insidern zufolge wird der DAV in der kommenden Woche genau dies tun. Offiziell bestätigen wollte das ein ABDA-Sprecher noch nicht. Aber die Zeit drängt. Je nach Auslegung des Stichtags – Zustellung oder Bekanntgabe des Schiedsspruchs – läuft die Klagefrist am kommenden Montag oder spätestens am Donnerstag ab. Um kein Risiko einzugehen, dürfte der DAV auf Nummer Sicher gehen und am Montag die Klage einreichen.

Unabhängig von etwaigen Fristen benötigen die Apotheker schnell Klarheit. Denn aus Sicht der Kassen ist der Schiedsspruch – inklusive der Rückwirkungsklausel – sofort umzusetzen. Auch beim DAV sieht man derzeit nichts, was eine aufschiebende Wirkung hätte. Selbst im Fall einer Klage müsste die Aussetzung extra beantragt werden. In diesem Fall würde weiter nach der alten Hilfstaxe abgerechnet.

In Nordrhein-Westfalen und Hessen haben sich nach Informationen von APOTHEKE ADHOC jeweils mehrere Zyto-Apotheker zusammengeschlossen, die gegen den Schiedsspruch protestieren wollen. Einig über das richtige Vorgehen ist man sich allerdings nicht. Ein Vorschlag war, die Mitarbeiter aus der Sterilherstellung gemeinsam zur Fortbildung zu schicken, damit die Kassen zu spüren bekommen, wie sich ein Zusammenbruch der ambulanten Versorgung anfühlt.

Die Kritik liegt auf der Hand: Getroffen würden zuallererst die Krebspatienten – und das sei unbedingt zu vermeiden. Ganz abgesehen davon, dass sich die Zyto-Apotheker selbst ausrechnen können, wie eine solche Aktion in den Publikumsmedien aufgegriffen würde. Der Ruf der Branche war nie besonders gut, seit dem Fall Bottrop ist er katastrophal. Aus demselben Grund hat ein Apotheker nach Rücksprache mit seinem Verband zunächst ebenfalls von seiner Reaktion abgesehen: Er wollte den Mitarbeitern als Folge seiner neuen Kostenrechnung die Gehälter massiv kürzen, damit diese in Warnstreik treten.

Stattdessen erwägt er jetzt eine Aktion mit maximalem Effekt: Wenn nichts passiert, will er einen seiner Isolatoren mit einem Kran aus 30 Meter Höhe auf die Straße krachen lassen. „Mit diesem Schiedsspruch werden Unternehmenswerte in die Tonne getreten“, begründet er. Heute sei es fast unmöglich, eine Zyto-Apotheke zu verkaufen.

Er rechnet damit, dass viele Kollegen mittelfristig aufgeben werden, wenn der Schiedsspruch so umgesetzt wird. Dabei gebe es schon heute rechnerisch nur rund eine Zyto-Apotheke pro Landkreis. „Und an der Reinraumtechnik hängen eben noch Leistungen wie die Palliativversorgung“, mahnt der Apotheker. Er befürchtet einen Zusammenbruch der ambulanten Versorgung in diesen Spezialbereichen.

Unter den neuen Bedingungen, das äußern auch andere Kollegen, sei die Zyto-Versorgung jedenfalls nicht mehr haltbar. Allein bei den Originalpräparaten müsste er draufzahlen, rechnet ein Apotheker vor. Auf teure Präparate wie Entyvio (Vedolizumab, Takeda), Stelara (Ustekinumab, Janssen-Cilag), Soliris (Eculizumab, Alexion), Tezentriq (Atezolizumab, Roche) oder Roactemra (Tocilizumab, Roche) erhalte er im Einkauf nämlich gar keinen Rabatt. Wenn er den Kassen aber jeweils 1,6 Prozent Preisnachlass gewähren müsse, sei jede einzelne Herstellung defizitär. Und mit den neuen Generikabschlägen ließe sich dies auch nicht quersubventionieren.

Die Rückwirkung, die hohen Abschläge und die aus ihrer Sicht einseitige Berücksichtigung der Interessen der Kassen wollen die Apotheker nicht hinnehmen: „Hier erscheint die Unparteilichkeit der Schiedsstelle weit überschritten, was nicht akzeptabel ist und im Wege einer Klage zu korrigieren“, heißt es in dem Schreiben. Wenn keine andere politische Lösung kommt, müssen die Zyto-Apotheker auf die Sozialgerichte vertrauen – erfahrungsgemäß kein sehr verheißungsvolles Unterfangen.

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