Ein Apotheker hat sich in eine beinahe epische Auseinandersetzung mit dem Finanzamt begeben. Letztlich musste er sich aber vor dem Bundesfinanzhof (BFH) geschlagen geben. Der Fiskus durfte die Rezeptdaten direkt beim Rechenzentrum abfragen.
Bei der Betriebsprüfung im Jahr 2017 nahm das Finanzamt die Jahre 2013 bis 2017 unter die Lupe. Irgendetwas stimmte nicht mit den Rohgewinnsätzen für die Freiwahl- und Sichtwahl. Der Betriebsprüfer vermutete, dass die Abweichung aus den Schätzungen der Rx-Umsätze herrühren könnte, und forderte alle Daten der Rezeptabrechnungsstelle für jedes einzelne Rezept in digitaler Form.
Als der Apotheker dies ablehnte, kündigte der Fiskus an, die Rezeptdaten notfalls unmittelbar beim Rechenzentrum anzufordern. Der Apotheker wurde selbst aktiv und ging zum Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Die Richter sollten feststellen, dass das angekündigte Auskunftsersuchen unzulässig ist. Doch das Finanzgericht fand schon das Ansinnen unzulässig: Der Apotheker könne sich gegen einen tatsächlich erfolgten Verwaltungsakt durch Einspruch wehren, wenn es so weit sei.
Der Apotheker ließ nicht locker. Er erhob eine sogenannte Sprungklage „wegen Androhung eines Auskunftsersuchens bei einem Dritten“. Weil das Finanzamt seine Zustimmung hierzu verweigerte, wurde die Sprungklage als Einspruch behandelt. Den Einspruch gegen das Androhen verwarf das Finanzamt wiederum als unzulässig, da kein Verwaltungsakt vorliege. Jetzt klagte der Apotheker gegen die Ablehnung seines Einspruchs. Die Klage war aus Sicht des Finanzgerichts diesmal zwar zulässig, aber unbegründet. Der Apotheker legte Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.
Doch das Finanzamt hatte zwischenzeitlich Tatsachen geschaffen und das Auskunftsersuchen an das Rechenzentrum geschickt. Dieses hatte den gewünschten Datenträger übermittelt. Damit war aus Sicht des Fiskus jener „vorbeugenden Unterlassungsklage“ der Boden entzogen und das Klageverfahren erledigt. Im Übrigen sei man gemäß Abgabenordnung (AO) auch berechtigt gewesen, ein schriftliches Auskunftsersuchen an die Rezeptabrechnungsstelle zu richten. Da die Rohgewinne in allen Prüfungsjahren unterhalb der veröffentlichten Richtsätze gelegen hätten und von Jahr zu Jahr gesunken seien, sei ein Anlass für Ermittlungen vorhanden gewesen. Erst durch die Verprobung der Rohgewinnaufschlagsätze für die Freiwahl- und Sichtwahlartikel anhand der angeforderten Rezeptdaten lasse sich nachprüfen, ob deren Umsätze vollständig erfasst worden seien.
Der Apotheker wollte die Frage aber geklärt wissen. Da der Fiskus die Auskünfte jetzt einfach eingeholt hatte, wollte er seine Klage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umstellen. Denn das Auskunftsersuchen sei, da die Buchführung nur unwesentliche Mängel aufweise, ebenso wie die Schätzung unzulässig gewesen. Die Differenzen seien allein Folge eines fehlerhaften Aufbaus der Kalkulation, der falschen Würdigung der Dateien und der mangelnden Kenntnisse des Finanzamtes bezüglich der für Apotheken geltenden Abrechnungsvorschriften. Im Übrigen habe sich die von der Betriebsprüferin errechnete Differenz nicht beseitigen lassen.
Der BFH gestand dem Apotheker immerhin das Recht zu, seinen Streit weiterzuführen und die Frage klären zu lassen, ob die Androhung des Auskunftsersuchens unzulässig war. Dass sich die Vorzeichen durch den Versand des Datenträgers inzwischen geändert hatten, stand dem aus Sicht des BFH nicht entgegen. Der Apotheker dürfe seinen Fall als Feststellungsklage weiterverfolgen. Denn zum einen seien die Rechtsfragen dieselben geblieben, zum anderen bestehe neben der Wiederholungsgefahr ein Rehabilitationsinteresse. Und prozessökonomisch sei es wenig verständlich, wenn man die Rechtsfrage in diesem nunmehr so aufwändig betriebenen Verfahren nicht auch klären sollte.
Das war aber auch schon der ganze Erfolg des Apothekers. Denn seine Klage war laut BFH in der Sache unbegründet und das Androhung des Auskunftsersuchens rechtmäßig. Die einzelnen Rezepte seien für die Besteuerung erheblich, da sie aus Sicht des Finanzamtes erforderlich waren, um die Kalkulationsdifferenzen aufzuklären.
Und das Nachfragen bei Dritten – hier dem Rechenzentrum – sei nicht erst bei einem begründeten Verdacht erlaubt, sondern immer auch dann, wenn anhand konkreter Umstände ein Auskunftsersuchen „angezeigt ist“. Da der Apotheker sich selbst geweigert hatte, die Daten zur Verfügung zu stellen, obwohl er dazu verpflichtet gewesen sei, durfte sich der Fiskus an das Rechenzentrum wenden. Was am Ende bei der Betriebsprüfung herausgekommen ist, geht aus dem BFH-Urteil nicht hervor.
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