Die Ärzte wollen sich den schwarzen Peter für Retaxationen nicht zuschieben lassen – sondern spielen den Ball zu den Apotheken zurück. Die Praxissoftware will die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) für die Erstellung der Medikationspläne zertifizieren lassen. Allerdings sollen die Ärzte frei entscheiden können, welche Versicherten Anspruch haben. Für ihre bisherigen Partner beim Medikationsmanagement legen die Kassenärzte kein gutes Wort ein.
Mit dem E-Health-Gesetz sollen die Kassenärzte verpflichtet werden, im Rahmen der Verordnung von Arzneimitteln nur noch Software einzusetzen, die jeweils aktuelle Informationen aus den Preis- und Produktverzeichnissen enthält. Demnach wäre wie in den Apotheken der zweiwöchige Rhythmus maßgeblich.
Bei der KBV sieht man dafür keine Notwendigkeit: „Zum einen zeigt sich, dass die Begründung, es käme aufgrund der mangelnden Aktualität der Arztsoftware vermehrt zu Retaxationen in den Apotheken, so nicht belegbar ist“, heißt es in der Stellungnahme. „Weder den Apothekerverbänden noch den Krankenkassen liegen belastbare Zahlen vor, in welchem Umfang und aus welchen Gründen retaxiert wird.“
Das Problem sei hausgemacht, konstatiert die KBV: „Es ist vielmehr anzunehmen, dass die fehlende Zertifizierung von Apothekensoftware und damit die fehlende Verbindlichkeit der dort hinterlegten Funktionen und Informationen zum Rabattaustausch und zu den Vorgaben der Arzneimittel-Richtlinie mit ursächlich für Retaxationen ist.“
Wie schon in ihrer ersten Stellungnahme hält die KBV die Maßgabe für zu aufwendig; zumindest wird mehr Zeit für Nachrüstungen ihrer Technik verlangt. Von einem Jahr für die Aufrüstung der Praxen war in dem Papier die Rede – und vor Einführung der sicheren Telematik-Infrastruktur gehe nichts. Ferner muss aus Sicht der KBV die Quelle für die verbindlich aktuell zu haltenden Daten im Gesetz konkret benannt werden. Schon heute würden im Rahmen des von der KBV durchgeführten Zertifizierungsverfahrens immer wieder Probleme mit Datenbankanbietern bekannt, die zum Teil unterschiedliche Daten und Datenstände bereitstellten.
Während die Kassen den Vorstoß begrüßen, war die ABDA in ihren Stellungnahmen nicht auf das Thema eingegangen. Dabei sehen die Apotheker an der Basis durchaus Bedarf: Bei einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC hatten im Mai 63 Prozent der Teilnehmer den Schritt begrüßt.
In Sachen Medikationsmanagement sieht die KBV die Absenkung von fünf auf drei Medikamente kritisch, da dies aus medizinisch-inhaltlicher Sicht nicht ausreichend begründet sei. „Aus der internationalen Literatur sowie verschiedenen Studien und Modellprojekten, die sich mit dem Thema Multimedikation befassen, ist ableitbar, dass die kritische Zahl an Medikamenten, ab der vermehrt Probleme bei der Arzneimittelanwendung entstehen können, bei fünf liegt.“
Zwar könne auch bei Patienten mit weniger als fünf verordneten Arzneimitteln im Einzelfall die Erstellung eines Medikationsplans medizinisch sinnvoll sein. Dies reiche jedoch nicht aus, um einen regelhaften Anspruch zu begründen. „Hier wäre es vielmehr erforderlich, die medizinische Notwendigkeit im Einzelfall durch den Arzt festzustellen.“
Die KBV sieht es daher als zielführend an, den verbindlichen und regelhaften Anspruch des Patienten wie ursprünglich geplant ab einer gleichzeitigen Anwendung von mindestens fünf Medikamenten festzuschreiben. Ein deutlicher Anstieg der anspruchsberechtigten Patienten würde nämlich insbesondere den hausärztlichen Versorgungsbereich zusätzlich belasten. Zur Einbindung der Apotheker schreibt die KBV nichts – man kommentiere erstens den konkreten Entwurf und schildere in erster Linie die Ärztesicht, so ein Sprecher.
Alternativ könnte der Gesetzgeber vollständig auf die Nennung einer konkreten Zahl verzichten und vielmehr auf die medizinische Notwendigkeit fokussieren. Die Regelung der Details wäre dann den Vertragspartnern der Selbstverwaltung zu überlassen. „Damit wäre zugleich sichergestellt, dass einerseits auch Versicherte mit weniger Arzneimitteln bei medizinischer Notwendigkeit mit einem Medikationsplan versorgt werden, andererseits aber keine Ansprüche der Versicherten entstehen, die gegebenenfalls im Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot […] stehen.“
Zusätzlich fordert die KBV eine verbindliche Zertifizierung von Softwarefunktionalitäten für den Medikationsplan. Erste Erfahrungen aus Modellprojekten zeigten, wie schwer es sei, die EDV-Anbieter zu bewegen, die für einen einheitlichen Medikationsplan notwendigen Funktionalitäten in der geforderten Zeit und Qualität bereitzustellen.
Selbst bei freiwilliger Umsetzung der Vorgaben durch die Softwarehersteller hätten Ärzte kaum die Möglichkeit, festzustellen, ob diese Umsetzung in der Software auch korrekt erfolgt sei und in allen Punkten den Vorgaben entspreche. „Setzt ein PVS-Hersteller die Vorgaben gar nicht um, müsste der Vertragsarzt zur Erfüllung des gesetzlichen Anspruchs des Patienten gegebenenfalls einen Plan ohne Softwareunterstützung erstellen, wobei die geforderte Einheitlichkeit bei der Umsetzung der Vorgaben nur schwer zu erreichen wäre.“
Bisher aktualisieren die meisten Arztpraxen ihre Software nur quartalsweise mit CDs, obwohl die Software-Hersteller die Daten längst zweiwöchentlich per Download anbieten. Viele Ärzte sind nach wie vor nicht am Netz.
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