Nordrhein

Engelen: „Die Apotheker sieht man nicht“ Alexander Müller, 17.06.2015 15:33 Uhr

Neuss - 

Der Präsident der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR), Lutz Engelen, ist mit der ABDA-Spitze in Berlin hart ins Gericht gegangen. Bei der Kammerversammlung in Neuss bemängelte er die ausbleibenden politischen Erfolge und die Ignoranz gegenüber den Mitgliedsorganisationen.

Engelen sagte rückblickend zur Arbeit der ABDA-Präsidenten, Hans-Günter Friese habe das Amt sehr „patriarchalisch” geführt und so die Strukturen gesichert, Heinz-Günter Wolf den Kontakt zur Ärzteschaft gepflegt. Friedemann Schmidt stehe für die Fortführung des ABDA/KBV-Modells und das Positionspapier „Apotheke 2030“. Engelen sieht allerdings wichtige Punkte aus dem „Leitbild“ nicht umgesetzt. Die aktuelle Gesetzesdiskussion über Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) sei „total enttäuschend“.

Engelen sieht der kraftvollen Ärztelobby – Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sei stets in Begleitung von Ärztepräsident Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery zu sehen – eine zu zögerliche und zurückhaltende Lobbyarbeit der ABDA gegenüber. „Die Apotheker sieht man nicht“, so Engelen. Der Berufsstand sei in der Öffentlichkeit „unsichtbar“, die Fokussierung auf ARMIN als Thema sei „unreflektiert“.

Und so ging es weiter: „Unstrukturiert“ sei die ABDA, weil sie sich keine Verbündeten suche, „unsensibel“, weil zentrale Themen nicht aufgenommen würden. Engelen vermutet, dass die Ärzte nicht zuletzt mit dem Perspektivpapier vor den Kopf gestoßen worden seien. Darin heiße es, „die öffentlichen Apotheken koordinieren und begleiten die Arzneimitteltherapie“. Der Begriff Arzt fehle im gesamten Papier. Aussagen wie die von Dr. Thomas Lipp vom Hartmannbund seien daher vielleicht auch verständlich.

Besonders verärgert ist Nordrheins Kammerpräsident darüber, dass Hinweise aus den Mitgliedsorganisationen negiert würden und Absprachen sowie Beschlüsse nicht eingehalten würden. „Das ist unkollegial und unkooperativ“, so Engelen. Dass die Standesvertretung in Berlin seit langem keinen durchschlagenden Erfolg bei Honorarfragen habe, sei schlicht „unakzeptabel“. Dennoch: Schimpfen alleine reiche nicht, man müsse der ABDA auch eigene Impulse geben, so Engelen.

In der Diskussion seines Berichts wurde ein Antrag verabschiedet, in dem die Kammer ihr Verhältnis zur ABDA infrage stellt. Sollten verschiedene Forderungen der AKNR nicht umgesetzt werden, soll bei der nächsten Sitzung im November ein Mitgliederreferendum „zur zukünftigen Zusammenarbeit mit der ABDA“ abgehalten werden.

Total enttäuscht ist Engelen, dass die ABDA die Forderung vom Deutschen Apothekertag (DAT) zur Abschaffung der Importquote nicht vehementer vertritt. Davon höre er nichts mehr. „Wo ist da die Demokratie?” Wenn Beschlüsse nicht weiter verfolgt würden, müsse er auch nicht mehr zum DAT fahren, so Engelen. Am Vormittag hatte sich BfArM-Präsident Professor Dr. Karl Broich bei einem Gastbeitrag die Abschaffung der Importquote gefordert.

Mit den Ergebnissen der Standesvertretung in Berlin ist Engelen aber auch sonst nicht zufrieden. Die goldene Regel der ABDA sei „Struktur vor Honorar“. Derzeit sehe er aber weder das eine noch das andere, so Engelen. Bei der Wirtschaftlichkeit der Apotheken sei der Bodensatz erreicht, was man nicht zuletzt am Krankenstand der Mitarbeiter in den Apotheken spüre.

Nach Treuhand-Zahlen sei der Rohertrag im vergangenen Jahr um 2,4 Prozent gesunken, der nur noch von den Auszahlungen aus dem Nacht- und Notdienstfonds kompensiert werden könne. Engelen befürchtet daher, dass sich der Trend fortsetzen wird und weiter jeden Tag eine Apotheke schließen muss.

Der Kammerpräsident sorgt sich auch um die nachrückende Apotheker-Generation. Für diese spiele die Work-Life-Balance eine große Rolle. Sie scheuten das Risiko der Selbstständigkeit und hätten kaum noch Lust, sich mit den zahllosen Verträgen der Krankenkassen herumzuschlagen. „Die Jüngeren sehnen sich nach einer Meta-Ebene und die heißt Fremd- und Mehrbesitz. Da müssen wir Acht geben“, so Engelen.

Man müsse der neuen Generation die Ängste nehmen und dabei helfen, Partner zu finden, die den Schritt in die Selbstständigkeit erleichtern. Die Kammer nehme daher jedes Jahr 50 Studenten mit zum Pharmacon nach Meran und biete zudem mit Marktpartnern Existenzgründer-Workshops an.

In der Praxis hat der Berufsstand Engelen zufolge Probleme bei der Qualität der Rezepturen. Das Thema werde „relativ intensiv totgeschwiegen“ in Berlin. „Das funktioniert aber nicht“, so Engelen. Die Landesregierung werde sich das nicht mehr lange mit ansehen. „Aber wenn die Rezeptur aus der Apotheke weg ist, ist dann die Ausbildung noch ein wissenschaftliches Studium?” Hier muss der Berufsstand aus seiner Sicht dringend aktiv werden, um die Qualität zu verbessern.

Schließlich kommt Engelen in der politischen Arbeit der ABDA auch das Thema Telemedizin zu kurz. Er will sich deshalb in Berlin dafür einsetzen, dass die Abteilung Telematik/E-Health schon in diesem Jahr aufgebaut und mit entsprechenden Mitteln ausgestattet wird. Das Thema sei so wichtig, dass es hierbei ausnahmsweise nicht aufs Geld ankomme.