Apotheker in Sorge: „Es fehlen 1377 Packungen“ Sandra Piontek, 25.10.2023 14:58 Uhr
Blickt man auf die heftigen Grippeausbrüche auf der Südhalbkugel, besteht aller Grund zur Sorge: „Hierzulande würden hohe Infektionszahlen auf gravierende Arzneimittelengpässe sowie eine niedrige Grippeimpfquote treffen. Dann stehen wir dumm da“, so Jürgen Brentzke, Inhaber der Mönch-Apotheke in Bad Oeynhausen. „Allein in meiner Apotheke sind 320 Zeilen an Arzneimitteln nicht lieferbar, das entspricht der exorbitanten Anzahl von 1377 Packungen.“
Um den täglichen Mehraufwand, der durch die gravierenden Arzneimittelengpässe entsteht, stemmen zu können, musste Brentzke eine ganze Arbeitskraft abstellen: „Wir haben eine PKA, die nur dafür zuständig ist, täglich auf Medikamentenjagd zu gehen“, so der Inhaber. Zweimal täglich schaue sie die Liste durch und klappert die Verfügbarkeiten dann beim Hauptlieferanten ab. „Mittlerweile haben wir auch noch zwei Nebenlieferanten, um die Verfügbarkeiten voll auszuschöpfen“, so der Apotheker. Aber auch das hilft ihm in Bezug auf Antibiotika-Säfte nicht wirklich weiter: „Ich habe von meinem Großhandel eine einzige Packung Amoxicillin-Saft erhalten, das war es.“
Importbestellung nicht durchdacht
Auf das Direktgeschäft könne er nicht ausweichen: „Die großen Hersteller wie Hexal oder Ratiopharm können uns nicht mit antibiotischen Säften beliefern, ich habe dort bereits angefragt.“ Ebenso sei die Möglichkeit der Bestellung von Importen bei antibiotischen Säften nicht zu Ende gedacht: „Es kann doch nicht zur Grundversorgung Deutschlands werden, dass wir Säfte in Frankreich und anderen Ländern bestellen“, so Brentzke. Kürzlich habe er eine Lieferung über zehn Cefaclor-Säfte erhalten: „Der Verwaltungsaufwand ist enorm. Ich muss Kartei über die Importe führen, es gegenüber der Krankenkasse rechtfertigen, und am Ende bleibe ich auch noch auf nicht verkaufter Ware sitzen, weil ich es nicht retournieren kann“, so der Apotheker.
Zudem bekomme man den Mehraufwand mit der ausländischen Ware nicht bezahlt: „Eine intensive Beratung ist bei Abgabe dieser Säfte essentiell, oft fertigen wir den Saft auch schon in der Apotheke an, wenn es an deutscher Beschreibung fehlt. Es gab Zeiten, da konnte man den Aufwand als Rezeptur abrechnen, aber das ist bald 20 Jahre her“, erinnert sich der Apotheker. Aktuell sei es eine nette Geste ohne Entlohnung.
Telefonleitungen überlastet
Glück habe er mit den umliegenden Ärzten: „Wir pflegen ein sehr gutes Verhältnis mit einer vernünftigen Kommunikation. Aber die Erreichbarkeit ist schwierig“, so der Apotheker. Ständig hänge man am Telefon und komme nicht durch: „Wenn ich Rücksprache halten muss zum Arzneimittelaustausch, kostet das viele Nerven. Beide Seiten wissen aber von der angespannten Situation, die Praxen sind genauso überlastet wie wir. Dabei geht es gerade erst los mit der Erkältungszeit“, so Brenzke, der mit Sorge auf die noch kommende Herbst-/ Wintersaison schaut.
Dabei bedauert er auch die niedrigen Impfquoten: „Die Bestellung an Grippeimpfstoff geht wesentlich langsamer voran als in den vergangenen Jahren. Die Akzeptanz der Bevölkerung in Deutschland ist zu niedrig. Wir stehen ganz schön dumm da, wenn die Zahlen sich hierzulande ähnlich wie in Australien entwickeln sollten“, so der Apotheker.