SPD-Wahlkampf

Apotheker in Schulz' Arena: Verpasste Chance

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Berlin -

Bislang hat sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz noch nicht zu Apothekenthemen geoutet. Anfragen zum Rx-Versandverbot blieben unbeantwortet. Auch im ABDA-Wahlradar-Gesundheit steht seine Antwort noch aus. Gestern in der ARD-Wahlarena gab es die erste Chance, Schulz zu stellen: Reinhard Rokitta von der Freien Apothekerschaft saß auch im Studio – präpariert, eine Frage zum Rx-Versandhandel zu stellen. Doch trotz mehrfacher Meldung wurde Rokitta nicht aufgerufen. Womöglich war seine Frage zu speziell für den letzten TV-Auftritt des Herausforderers von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Vor circa vier Wochen hatte sich Rokitta als Repräsentant der Freien Apothekerschaft bei der ARD über einen Internetlink zur Wahlarena angemeldet, dort seinen Namen und sein Fragethema eingetragen: das Rx-Versandverbot. „Kanzlerkandidat Schulz hat sich zum Rx-Versandverbot öffentlich noch nicht geäußert“, sagt Rokitta, „da wollte ich nachhaken und die Gelegenheit nutzen. Die ABDA kommt in so eine Sendaung ja nicht rein.“

Wochenlang herrschte dann Funkstille. Vom WDR kam keine Reaktion. Plötzlich klingelte dann vergangenen Mittwoch Rokittas Mobiltelefon, da war er gerade auf dem Stand der Freien Apothekerschaft auf der Expopharm. Ob er am kommenden Montag Zeit habe, nach Lübeck in die Wahlarena zu kommen, wollte ein Redakteur wissen. Rokitta stimmte natürlich zu. Am Freitag folgte der zweite Anruf mit der Bestätigung.

Mit einem Sammelbus von Köln oder Essen hätte er mit anderen Gästen nach Lübeck fahren können. Darauf verzichtete Rokitta und reiste von Bielefeld aus allein an. Die Übernachtungskosten trägt der WDR. 150 Wahlberechtigte können dem Kandidaten in der Wahlarena unverblümt und direkt mit den Themen konfrontieren, die sie in ihrem Alltag betreffen und auf die sie Antworten fordern. Das Publikum entspricht laut ARD dabei einem Querschnitt der Bevölkerung und wird von Infratest ausgewählt. Die Fragen werden vorab nicht abgesprochen. Nur das Fragethema müssen die Gäste angeben.

Um 18.30 Uhr mussten sich die Gäste in der Wahlarena einfinden und strenge Einlasskontrollen über sich ergehen lassen. „Da fühlt man sich schon sicher“, so Rokitta, der mit Herzklopfen ins Studio geht. Vor der Sendung gibt es kleine Häppchen und Getränke, auch Maskenbildner tupfen mit ihren Schwämmchen in den Gesichtern der Gäste herum. 45 Minuten vor dem Start der Live-Sendung müssen die Gäste dann in der Arena Platz nehmen, die Plätze sind markiert. Jeder Gast hat seinen vorbestimmten Platz. Auf diese Weise kennt die Regie die Fragesteller und ihre Themen.

Rokitta sitzt günstig platziert am Rand der zweiten Reihe an einem Zwischenaufgang. Dann folgt das Warming-up. Ein Redakteur fordert die Gäste auf, ihre Arme für Fragen zu heben. Zur Probe wird schon mal applaudiert. Die Gäste sollen vor der ungewohnten Studioatmosphäre aufgelockert werden. Unmittelbar nach Sendebeginn reckt auch Rokitta seinen Arm in die Höhe. So macht er das mehrfach während der 75 Minuten. Doch immer wieder ohne Erfolg: Drei Plätze neben ihm darf eine junge Frau ihre Frage zur Bildungspolitik los werden. Rokittas Puls schlägt schneller. Doch das Mikrofon wird wieder an ihm vorbei zu einem anderen Fragesteller gereicht.

Ob die Regie bei der Auswahl im Spiel war, weiß Rokitta natürlich nicht. Aber es werden vor allem Fragen zu Themen von allgemeinem Interesse zugelassen. Die beiden Moderatoren Sonia Seymour Mikich (WDR) und Andreas Cichowicz (NDR) sind über einen Ohrstöpsel mit der Regie verbunden. „Schade“, sagte Rokitta nach der Sendung, „ich hätte gerne gefragt, wie Schulz zum Versandhandel mit Arzneimitteln und zum Rx-Versandverbot persönlich steht. Aber vermutlich war das Thema zu speziell für solch eine Sendung.“ Auch wenn der Vertreter der Freien Apothekerschaft nicht mit der Politik des SPD-Kanzlerkandidaten übereinstimmt, beeindruckt von der Persönlichkeit war er schon: „Schulz war sehr persönlich, hat den Leuten direkt in die Augen geschaut und sie ernst genommen“, so sein Eindruck. Auch nach der Live-Sendung nahm sich der SPD-Kanzlerkandidat noch Zeit, machte Selfies mit den Gästen und plauderte.

19 Fragen wurden in 75 Minuten abgehandelt. Schulz parierte routiniert, aber ausschweifend. Nur eine 42-jährige, sechsfache Mutter erwischte ihn auf dem falschen Fuß. In 20 Jahren habe sie viele berufliche Bereiche kennen gelernt, sei Taxi gefahren, Eventmanagerin und Pflegekraft gewesen. Wie er dafür sorgen wolle, dass jemand wie sie auch später finanziell auskommen könne, mit mehr als der Mindestrente. Schulz fragte nach: „Sie haben eine Reihe von Berufen genannt.“ Er wollte auf die Einzahlungsdauer in die gesetzliche Rente hinaus.

Die Dame war überrascht. Sie sei Mutter gewesen. In diesem Job habe sie alle genannten Aufgaben übernommen. Die Zuschauer applaudierten. Schulz war baff, sagte erstmal gar nichts. Die Fragende war verunsichert. Hatte sie Schulz über Gebühr ein wenig veräppelt, mag ihr durch den Kopf geschossen sein. Im Gegenteil: Schulz nutzte die Chance, beim Thema Rente der Kanzlerin den schwarzen Peter zuzuschieben. Die sehe hier keinen Handlungsbedarf. Er dagegen mache sich für eine Solidarrente stark. Damit auch Mütter mehr auf dem Rentenbescheid stehen hätten.

Vielleicht gelingt es Rokitta am Mittwoch, die verpasste Chance noch wettzumachen. Dann kommt Schulz nach nach Bünde zum Straßenwahlkampf. Dort führt Rokitta seine Punkt-Apotheke. Dem SPD-Kanzlerkandidaten hat er seine Visitenkarte zugesteckt und Schulz in seine Apotheke eingeladen. „Bis Mittwoch“, hat Rokitta Schulz beim Abschied zugerifen. „Bis Mittwoch“, hat dieser geantwortet. Dass der SPD-Spitzenkandidat in seine Apotheke kommt, glaubt Rokitta nicht. Vorbereitet ist er trotzdem. Seine Frage für die Wahlarena ist schließlich noch unbeantwortet.

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