„Homöopathie macht als Kassenleistung keinen Sinn. Auch den Klimawandel können wir nicht mit Wünschelruten bekämpfen. Die Grundlage unserer Politik muss die wissenschaftliche Evidenz sein.“ Das erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu seiner Forderung, die Alternativmedizin als Kassenleistung zu streichen, auf X. Apotheker Wolfgang Scholz aus Lüdenscheid kritisiert den Vorstoß als „Schuss nach hinten“.
Lauterbach will die Finanzierung homöopathischer Behandlungen durch Krankenkassen streichen. Eine entsprechende gesetzliche Regelung ist im neuen Entwurf für das „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune“ (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz, GVSG) vorgesehen. Der Minister äußerte sich auch zu einer bayerischen Studie, die homöopathische Mittel mit Antibiotika verglich: „Eine Studie, in der ernsthaft ‚Globuli‘ gegen Antibiotika getestet werden, ist grotesk. Ein Test gegen Placebo kann ethisch sein. Aber gegen ‚Globuli‘ zu testen, ist schlicht Unfug. Welche Ethikkommission geht da mit?“
Der Apotheker widerspricht: „Der Nachweis der Wirksamkeit nach den Maßstäben der aktuellen Standards für wissenschaftliche Studien ist bekanntermaßen problematisch, jedoch gibt es auch Studien, die den Nutzen von Homöopathika im Vergleich zu Placebo belegen.“
Nach seiner Auffassung wird die Homöopathie als Alternative zur wissenschaftlichen Medizin in Teilen der Bevölkerung nach wie vor geschätzt, da es „teilweise jahrhundertealte an Ärzte und Apotheker weitergegebene positive Erfahrungen mit gut verträglichen Homöopathika in der Praxis gibt.“
In diesem Zusammenhang berichtet von einem Fallbeispiel, in dem ein homöopathisches Mittel Wirkung gezeigt habe. Dabei handele es sich um einen Jugendlichen, der unter einem wiederkehrenden Befall von Warzen an den Händen litt. „Zwei elektrokaustische Behandlungen wurden durch einen Hautarzt vorgenommen, die ja mit durchaus unangenehmen Effekten und Nebenwirkungen einhergehen, allein schon durch den Geruch von verbranntem Gewebe während der Behandlung und den danach verbleibenden Narben. Diese Behandlungen waren ohne Erfolg. Die Warzen kamen in großer Zahl wieder. Dann wurde entsprechend der Empfehlung eines Apothekers die Behandlung mit einem homöopathischen Mittel eingeleitet. Nach sechs Wochen waren die nachgewachsenen Warzen komplett abgeheilt und sind auch nicht mehr wiedergekommen.“
Den Ansatz „Similia similibus curantur“ – Ähnliches kann durch Ähnliches geheilt werden – haben homöopathische Mittel laut Scholz mit Impfstoffen gleich. „Impfstoffe machen grundsätzlich auch nichts anderes, als den Körper Reizen auszusetzen, durch deren Verarbeitung er in die Lage versetzt wird, ähnlichen Einflüssen durch eine Infektion mit einer wirksamen Abwehrreaktion zu begegnen.“ Somit sei das Wirkprinzip der Homöopathika „keineswegs unmodern“, so der Inhaber.
In der Homöopathie besteht der Glaube, dass die Energie einer Substanz, die ein gezieltes Symptom bei einem gesunden Menschen hervorruft, bei einem kranken Menschen ähnliche Symptome heilt. Durch starke Verdünnung und Verschüttelung eines Stoffes soll diese Energie auf das entsprechende Homöopathische Mittel – beispielsweise Globuli – übertragen werden. Dabei unterscheidet die Homöopathie vorrangige Wirkweisen auf körperlicher Ebene (Tiefpotenzen), auf körperlicher und seelischer Ebene (mittlere Potenzen) oder auf geistiger, energetischer Ebene (Hochpotenzen) wirken.
Impfstoffe hingegen bestehen aus abgeschwächten Erregern. Das Immunsystem reagiert bei Applikation und bildet nachweislich Abwehrstoffe. Auch hier gibt es grundsätzlich drei Klassen: Totimpfstoffe, Lebendimpfstoffe oder genbasierte Impfstoffe.
Laut Scholz gibt es einige Fälle, in denen homöopathische Mittel von Ärzten als „nebenwirkungsfreie Medikation“ verordnet werden können. „Das Volumen der tatsächlichen Ausgaben für Homöopathika bei den Krankenkassen mit circa 20 Millionen Euro pro Jahr ist letztlich nur ein Bruchteil im Vergleich mit den übrigen Krankenkassenkosten, die sich insgesamt auf circa 300 Milliarden Euro pro Jahr belaufen.“
Wenn es diese vergleichsweise preiswerten Mittel nicht mehr gäbe, ist laut Scholz davon auszugehen, dass Ärztinnen und Ärzte Präparate nach wissenschaftlichen und evidenzbasierten Grundsätzen verschreiben müssen. „Die Rechnung dafür wird bei den Krankenkassen in Zukunft sicher deutlich höher aufschlagen als die geschätzten 20 Millionen“, so der Inhaber der Hirsch-Apotheke in Lüdenscheid weiter.
Sein Fazit: „Gesundheitsminister Lauterbach übt sich nach dem Motto ‚viel Lärm um Nichts‘ in einem völlig unbegründeten und sinnlosen Aktionismus und zeigt einmal mehr, dass der eiskalte Blick des Ministers durch die Brille des Epidemiologen an der praktischen Medizin und Pharmazie vorbeigeht, therapeutische Optionen einer sanften und patientenindividuellen Medizin ausschließt und am Ende das gewünschte Einsparziel gar nicht erreichen wird. Alles in allem, ein Schuss nach hinten!“
In der Vergangenheit hatte Scholz einen Kooperationsvertrag mit der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zur Erforschung eines pflanzlichen Covid-19-Präparats geschlossen. Gegen die aktuelle Gesundheitspolitik hatte er sich im vergangenen August mit einem Brandbrief an Lauterbach Luft gemacht. Die Arbeit in der Apotheke verglich er mit der in einem Steinbruch; sinnlos bei schlechter Vergütung.
APOTHEKE ADHOC Debatte