Bundes-Apothekerordnung

Apothekerberuf: Missverstanden und entzaubert Patrick Hollstein, 21.10.2015 15:27 Uhr

Berlin - 

Bevormundung oder gar Entmündigung: Die geplante Novellierung der Bundes-Apothekerordnung (BApO) macht viele Kollegen misstrauisch. So recht weiß niemand, wie die Definition des Apothekerberufs anhand von zehn Punkten zu bewerten ist. Einerseits spielen die 14 Paragraphen im Alltag kaum eine Rolle. Andererseits ist nicht zu verstehen, warum ein Freiberuf überhaupt zu katalogisieren ist. Das Besondere: Die EU-Richtlinie, auf die Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sich beruft, hat eigentlich eine ganz andere Zielsetzung als die Entzauberung der pharmazeutischen Kompetenz.

In der vergangenen Woche hat das Kabinett die Änderung der BApO beschlossen; der Entwurf geht jetzt ins parlamentarische Verfahren. Mit der Novelle wird laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) die EU-Richtlinie zur Berufsanerkennung umgesetzt; vorgesehen sind unter anderem eine Lockerung bei der Niederlassung für Ausländer und Regelungen für die Ausstellung des Europäischen Berufsausweises.

Doch das BMG hat auch eine erweiterte Definition des Apothekerberufs mitgeliefert. Bislang war dieser relativ weit gefasst als „Ausübung einer pharmazeutischen Tätigkeit, insbesondere die Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln unter der Berufsbezeichnung 'Apotheker' oder 'Apothekerin'“. Neu heißt es: „Ausübung des Apothekerberufs ist die Ausübung einer pharmazeutischen Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung 'Apotheker' oder 'Apothekerin'.“ Anschließend werden zehn Bereiche genannt, die pharmazeutische Tätigkeiten im Besonderen umfassen.

Dazu gehören neben der Berufsausübung in Apotheke, Krankenhaus, Großhandel ganz allgemein die Herstellung von Arzneimitteln und ihren Darreichungsformen, die Arzneimittelprüfung, die Information und Beratung über Arzneimittel, die Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die personalisierte Unterstützung von Patienten bei der Selbstmedikation sowie Beiträge zu örtlichen oder landesweiten gesundheitsbezogenen Kampagnen.

Kleine Änderung, große Wirkung. Obwohl die Auflistung im Wesentlichen nachvollziehbar ist und auch die Tätigkeitsfelder noch Raum für Auslegung geben, empfinden viele Apotheker die Konkretisierung als Anmaßung. Immerhin hatte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt mit einer monatelangen Leitbild-Debatte versucht, dem Berufsstand eine Perspektive zu geben: Auf der Basis der Ergebnisse sollte erst über das Berufsbild und dann über die Approbationsordnung (AAppO) diskutiert werden. Die Wirklichkeit hat die Apotheker so gesehen wieder einmal überholt.

Dabei ist der Kriterienkatalog keineswegs neu. Schon 1975 wurden auf europäischer Ebene erstmals mehr oder weniger konkrete Tätigkeitsfelder für Apotheker festgelegt. Die letzte Modifizierung der aktuellen EU-Richtlinie im Jahr 2013 ging auf eine Initiative des EU-Apothekerverbands PGEU zurück, der einige Formulierungen überarbeitet und ergänzt und die Punkte Pharmakovigilanz, Selbstmedikation und Gesundheitskampagnen komplett neu formuliert hatte. Die Änderungen sollten dazu beitragen, den Beruf besser abzubilden. Eingebracht wurde der Vorschlag von der französischen EU-Abgeordneten Bernadette Vergnaud; mit Änderungen passierte der Vorschlag schließlich Parlament und Ministerrat.

Warum die Vorgaben nicht früher Eingang in die deutsche Gesetzgebung gefunden haben, ist nicht bekannt. Womöglich reichte die allgemeine Formulierung der EU-Kommission bereits, um den Zweck der Richlinie zu verwirklichen: nämlich der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen. Wörtlich heißt es: „Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Inhaber eines pharmazeutischen Ausbildungsnachweises […] mindestens die folgenden Tätigkeiten aufnehmen und ausüben dürfen [...]“.

Das unterscheidet sich deutlich von dem, was Gröhe jetzt daraus gemacht hat – nämlich eine Definition des Apothekerberufs insgesamt. Erschwerend kommt hinzu, dass das BMG die Aufzählung mit dem Wort „insbesondere“ einleitet – in der Richtlinie heißt es immerhin „mindestens“.

Zwar heißt es in der Begründung zum Gesetzestext, die Änderungen bezögen sich auf die Mindestanforderungen an die Ausbildung von Apothekern. Doch die ABDA hatte bereits in ihrer Stellungnahme kritisiert, dass sich Apotheker außerhalb von Apotheke oder Klinik kaum wiederfinden könnten, und eine Streichung des Katalogs gefordert.

Aus Sicht der Apotheker geht es um mehr als nur Befindlichkeiten. Einerseits dient die BApO als Grundlage für die AAppO, die sich womöglich nun umso schwerer für die Visionen des Berufsstandes öffnen lässt. Andererseits schielt die Rentenversicherung regelmäßig auf die hoheitliche Definition des Apothekerbegriffs, wenn es darum geht, Industrieapothekern die Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht zu verweigern.

So gesehen könnte eine konkretere Definition hilfreich sein – sofern sie genügend Alternativen umfasst. Laut Peter Hartmann, dem Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV), betrifft die Anpassung der BApO mittelbar auch die Versorgungswerke: „Es geht um die Frage, wie breit der Beruf gefasst wird.“ Bei der Klärung werde das Berufsrecht herangezogen – und die Definition der Apothekertätigkeit basiere unter anderem auf der BApO. Welche Folgen die Novellierung diesbezüglich haben wird, will er allerdings nicht mutmaßen: Ob sich die Situation verschärfe oder vielleicht sogar verbessere, hänge schließlich wesentlich von der Rentenversicherung ab.

Die ABDA hofft, dass sie im parlamentarischen Verfahren noch Änderungen am Entwurf durchsetzen kann. Womöglich lohnt sich aber auch der Umweg über Brüssel. Dort wird schon wieder an der Richtlinie gearbeitet; diesmal geht es um einen Anhang, in dem das Ausbildungsprogramm für Apotheker definiert wird.

Aktuell umfasst das Verzeichnis 14 Fächer, die im Ausbildungsgang „mindestens“ absolviert werden müssen, darunter Kurse wie Chemie, Physik und Botanik sowie Physiologie, Mikrobiologie, Pharmakologie, Technologie und Recht. Bei der PGEU hofft man, durch die Aufnahme neuer Bereiche den Apothekerberuf voranzubringen. Womöglich ist dieser Hebel der längere.