Kommentar

Apotheker haben Schweigeschmidt

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Berlin -

Im Kabinett sind weitere Stühle verteilt und wenn jetzt noch die SPD-Basis mitspielt, könnten wir demnächst tatsächlich mal wieder eine richtige Regierung haben. Eine, die nicht nur Geschäfte führt, sondern auch Zukunft gestaltet. Für die Apotheker wird das mit großer Wahrscheinlichkeit eine Reform ihres Honorars bedeuten. Die Diskussion darüber hat längst begonnen, nur die ABDA verweigert. Ein riskantes Spiel, kommentiert Alexander Müller.

Die Politik hatte den Zahlen der Apotheker schon länger nicht mehr so recht getraut. Also gab das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) ein Gutachten in Auftrag, um herauszufinden, was die Apotheker eigentlich so verdienen. Das Ergebnis ist bekannt: Nach den Schätzungen und Berechnungen der beauftragten Unternehmensberatung 2hm arbeitet zwar ein Drittel der Apotheken defizitär, trotzdem wird angeblich jährlich ein Milliardenbetrag zu viel in den Markt gepumpt.

Über die Systematik und verschiedene Prämissen der Gutachter lässt sich trefflich streiten – aber genau das will die ABDA nicht. Die Standesvertretung signalisiert nach außen, dass man es für pure Zeitverschwendung hält, sich überhaupt mit diesem Werk zu befassen. Bei aller berechtigten Kritik – welchen Eindruck soll das bei der Politik hinterlassen? Das BMWi ist zwar nicht selbst Verfasser der Studie, hat diese aber beauftragt und den Zuschlag erteilt und wird entsprechend auch von der Kritik getroffen. Den Sack schlägt man, den Esel meint man. Schon jetzt wundert man sich über die merkwürdige Mischung aus Hilflosigkeit und Überheblichkeit, mit der die Apotheker in Berlin auftreten.

Nur intern spricht ABDA-Präsident Friedemann Schmidt über die „inakzeptable Logik“ und die „falschen Prämissen“ des Gutachtens. Aber auch dann nur, um den Mitgliedern des Gesamtvorstandes zu verbieten, öffentlich über das Gutachten zu debattieren. Ende der Diskussion. Nur ganz vereinzelt gab die ABDA-Spitze sich selbst Interviews, um über das Verfahren zu schimpfen.

Schon in den eigenen Landesorganisationen hat das mit dem Maulkorb nicht so recht funktioniert. Und erst recht kann man Politik und Medien nicht verbieten, über das Gutachten zu diskutieren. Der Versuch, wie die drei Affen von Nikkō über Schlechtes hinwegzusehen, wird nicht funktionieren. Was spricht dagegen, das Gutachten öffentlich und nachvollziehbar zu sezieren und dann eigene Vorschläge zu machen?

Oder anders gefragt: Was ist die Alternative? Dass die ABDA irgendwann im Ministerium auftritt: „Kinder, das war ja alles Quatsch, wir haben euch hier mal die richtigen Treuhand-Zahlen mitgebracht.“ Und damit dann die längst fällige Honorarerhöhung durchsetzt. Selbst wenn das BMWi dann CDU-geführt ist, selbst wenn die Zahlen objektiver sind, fühlt sich das nicht wie die weltbeste Strategie an.

Die aktuelle Entwicklung gibt der Standesvertretung nur scheinbar recht. Ja, das Rx-Versandverbot steht im Koalitionsvertrag. Das hat auch die ABDA mit ihrer Hartnäckigkeit durchgesetzt. Aber noch ist das Verbot nicht umgesetzt. Jetzt zieht mit Hermann Gröhe (CDU) auch noch der gesetzgeberische Vater dieses Projekts aus dem BMG aus und es übernimmt mit Jens Spahn jemand, dem alternative Versorgungsformen regelmäßig näher stehen als der Apotheker in seiner Apotheke.

Wie viel ein Versprechen im Koalitionsvertrag ist, haben die Apotheker beim Pick-up-Verbot der schwarz-gelben Bundesregierung zwischen 2009 und 2013 erfahren müssen. Gut möglich, dass die Politik das Rx-Versandverbot auf derselben verfassungsrechtlichen Sandbank auf Grund laufen lässt. Dann wäre nichts erreicht und viel Zeit verloren. Denn wahr ist auch, dass die ABDA mit ihrer Hartnäckigkeit die seit Oktober 2016 bestehende Ungerechtigkeit zementiert hat.

Gröhe wurde wegen des Rx-Versandverbots trotzdem als „Apothekenminister“ an den Pranger gestellt. Und dafür, dass Gröhe in verschiedenen Medien als teuerster Gesundheitsminister aller Zeiten kritisiert wurde, haben die Apotheker recht wenig abbekommen: 100 Millionen Euro – inklusive Mehrwertsteuer und abzüglich Kassenabschlag – für Rezeptur und BtM-Dokumentation und ein Gesetz, dass sich die Kassen mit ihnen auf neue Retaxregeln verständigen mussten. Auf der anderen Seite ist zuletzt noch die neue Hilfstaxe eingeschlagen. Das Etikett „erfolgreiche Lobby“ kann ganz schön teuer sein.

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